Verantwortlichkeitsgesetz der Deutschen Nationalversammlung von 1848. 27
Die Verhandlung beschränkt sich darauf, ob die Nationalversammlung zur
Tagesordnung übergehen, oder den Antrag zur Vorberathung an die Abtheilungen
verweisen will. Wird das Zweite beschlossen, so wählen die Abtheilungen nach
geeigneter Berathung die Mitglieder des Ausschusses. Diejenigen, welche den
Antrag auf Anklage unterzeichneten, können nicht als Mitglieder des Ausschusses
gewählt, sie können aber von dem Ausschusse gehört werden, um nähere Mithei-
lungen zu machen.
Der Ausschuß hat alle Befugnisse, welche zur Ausmittelung der Wahrheit
einem Untersuchungsrichter zustehen. Er kann Zeugen und Sachverständige auch
eidlich vernehmen oder die Vernehmung derselben durch das Gericht veran-
lassen.
Der Minister kann, wenn ihm der Antrag auf Anklage mitgetheilt ist, frei-
willig oder auf Veranlassung des Ausschusses persönlich vor demselben erscheinen
und Aufklärung geben; er kann auch solche Erklärungen, sowie die betreffenden
Urkunden schriftlich dem Ausschuß einreichen.
In Fällen, in denen nach der Beschaffenheit des Verbrechens und den
gesetzlichen Vorschriften der Untersuchungsrichter Verhaftung anordnen dürfte,
kann auch der Ausschuß Verhaftung des Ministers verfügen.
Der Ausschuß erstattet nach beendigter Voruntersuchung seinen Bericht und
legt, wenn er die Anklage für zulässig hält, zugleich den Entwurf der Anklage-
schrift der Nationalversammlung vor. Bei der Verhandlung der Sache in der
Nationalversammlung kann der Minister erscheinen und Aufklärungen geben.
Ueber die Zulässigkeit der Anklage entscheidet die Nationalversammlung nach
absoluter Stimmenmehrheit. Ist die Anklage zugelassen, so wählt die National-
versammlung 3 ihrer Mitglieder, um bei der mündlichen Verhandlung vor dem
Gerichtshofe die Anklage zu verfolgen.
Die Nationalversammlung kann, wenn die Anklage zugelassen ist, den ange-
klagten Minister vorläufig von seinem Amte entheben, auch die Verhaftung des
Ministers verfügen. Die Nationalversammlung dehnt ihre Untersuchung auch
auf die Mitschuldigen des angeschuldigten Ministers aus und spricht gegen sie
die Anklage und gemeinschaftliche Verfolgung mit dem Minister aus.
Wenn die Anklage zugelassen ist, so wird ungesäumt die Anklageschrift und
der mit Gründen versehene Beschluß derselben wegen Zulassung der Anklage
mit den Aktenstücken, welche der Nationalversammlung vorlagen, dem Präsidenten
des Gerichtshofes mitgetheilt.
Es kann auch, nachdem bereits die Anklage zugelassen ist, bis zum Schlusse
der Verhandlung vor dem Gerichtshofe ein von 25 Mitgliedern unterzeichneter
Antrag auf Zurücknahme der Anklage in der Nationalversammlung angebracht
und nach geschäftsordnungsmäßiger Verhandlung das Abstehen von der Anklage
beschlossen werden.
Die Verhandlung und Entscheidung über die Anklage, die von der National=
versammlung gegen einen Minister und seine Mitschuldigen erhoben wurde, erfolgt
bei dem Reichsgericht, und wenn bis zu dem Vorkommen eines Falls der Anklage