30 Die Ministerverantwortlichkeit in Preußen.
zu überstürzen und zu schnell Verfassungsveränderungen vorzunehmen. Sodann
hängt die Frage sehr eng mit politischen Grundideen über die Ausbildung der
Verfassung zusammen.
Die für den Einheitsstaat schwärmen, werden sich für die verantwortlichen
Reichsministerien aussprechen, die Föderalisten aber, welche den Bundesstaat nicht
außer Acht lassen und die möglichste Selbstständigkeit der Einzelnstaaten gewahrt
wissen wollen, schütteln noch den Kopf und werden es reiflich überlegen, ob die
veränderte Einrichtung zu empfehlen und nicht vielmehr als ein Dangergeschenk
abzulehnen sei.
S. 48.
Das Königreich Preußen.
Im Königreiche Preußen finden sich über den Gegenstand nur sehr dürftige
gesetzliche Bestimmungen.
Die Preußische Verfassung vom 31. Januar 1850 verfügt im Art. 61.:
Die Minister können durch Beschluß einer Kammer wegen des Ver-
brechens der Verfassungsverletzung, der Bestechung und des Verrathes
angeklagt werden. Ueber solche Anklage entscheidet der oberste Ge-
richtshof der Monarchie in vereinigten Senaten. So lange noch
zwei oberste Gerichtshöfe bestehen, treten dieselben zu obigem Zweck
zusammen.
Die näheren Bestimmungen über die Fälle der Verantwortlichkeit, über das
Verfahren und über die Strafen werden einem besonderem Gesetze vorbehalten.
Das hier vorbehaltene Gesetz ist aber bis jetzt nicht erlassen worden und sonach
der Art. 61. das Einzige, was das Preußische öffentliche Recht über Ministerver-
abtwortlichkeit besitzt.
Im Jahre 1863 wurde in Ausführung der Bestimmungen in der Ver-
fassungsurkunde Art. 61. den Kammern ein Gesetzentwurf über die Verantwortlich-
keit der Minister vorgelegt und auch im Hause der Abgeordneten berathen.
Wie derselbe aus diesen Berathungen hervorgegangen, enthielt er in Wesent-
lichen solgendes: Der erste Abschnitt handelt von der strafrechtlichen Verant-
wortlichkeit der Minister.
Jedes der beiden Häuser kann gegen die Minister wegen Verfassungsver=
letzung, Bestechung oder Verrath Anklage erheben.
Eine Verfassungsverletung wird von einem Minister begangen durch jede
der Verfassung zuwiderlaufende Handlung oder Unterlassung, deren Verfassungs-
widrigkeit dem Schuldigen bekannt war oder nicht ohne sein Verschulden entgehen
konnte.
In §. 3. und 4. wird der Verrath und die Bestechung näher präzisirt. Fällt
die strafbare Handlung eines Ministers unter ein bestimmtes Strafgesetz, so kommt
dieses zur Anwendung.
Ist sie nur durch das gegenwärtige Gesetz vorgesehen, so wird nach richter-