Full text: Die Ministerverantwortlichkeit und der Staatsgerichtshof im Königreich Sachsen.

32 Die Ministerverantwortlichkeit in Preußen. 
Der Antrag auf Zurücknahme muß schriftlich eingebracht werden und von 
wenigstens 10 Mitgliedern unterschrieben sein 
Der Beschluß des Hauses, der auf Zurücknahme der Anklage lautet, wird 
dem ersten Präsidenten des Obertribunals mitgetheilt und hat die Folge, daß 
der Gerichtshof aufhört, mit der Sache befaßt zu sein. 
Ber Prozeß wird durch die Vertagung der Häuser oder durch die Schließung 
ihrer Sitzungsperiode nicht sistirt, wenn die eine oder die andere nach Mittheilung 
des auf die Anklage geprüften Beschlusses erfolgt ist. 
Wenn während des Prozesses die Legislaturperiode des Hauses, welches die 
Anklage zuzulassen hat, abläuft oder wenn dasselbe aufgelöst wird, so ist der 
Prozeß abzubrechen und bis zum Wiederzusammentritt des Hauses zu sistiren. 
Der erste Präsident des Gerichtshofes hat nach Konstituirung des neuen 
Hauses dem Präsidenten desselben sofort über die Lage der Verhandlungen Mit- 
theilungen zu machen und die Bestellung von Kommissarien anheim zu geben. 
Geschieht dieselbe nicht binnen 30 Tagen nach Eingang der Mittheilung, so wird 
die Anklage für zurückgenommen erachtet. Wird der Antrag auf Anklage für 
verworfen erachtet oder stillschweigend zurückgenommen, so muß der Präsident des 
Hauses dies in öffentlicher Sitzung verkündigen. 
Nachdem der Antrag auf Anklage eines Ministers in dem einen Hause vor 
einen Ausschuß verwiesen ist, kann das andere Haus seinen Beitritt zu dem Ver- 
fahren im Ganzen oder in Ansehung einzelner Punkte erklären und soweit es 
dies gethan hat, die Anklage, falls sie in jenem Hause zurückgenommen oder 
verworfen wird, selbständig fortsetzen. 
Hinsichtlich der Formen des Verfahrens und der Fristen kommen die für 
die ursprüngliche Anklage geltenden Bestimmungen zur Anwendung. 
er entscheidende Gerichtshof ist das Obertribunal in vereinigten Senaten. 
Zwei Drittel der zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Mitglieder 
müssen anwesend sein. 
Die Verhandlung ist mündlich. Der Gerichthof hat das Recht, die Verhaf- 
tung des Angeklagten zu beschließen. 
Die Verrichtungen der Staatsanwaltschaft werden, insofern sie die Aufrecht- 
haltung der Anklage betreffen, von den Kommissarien des Hauses wahrgenommen, 
welche befugt sind, einen oder zwei aus ihrer Mitte dazu zu beauftragen. Die 
Staatsanwaltschaft bei dem Obertribunale behält das Recht, alle Anträge zu 
stellen, welche die Gesetzmäßigkeit des Verfahrens betreffen. Nach dem Schlusse 
der Verhandlungen muß sie als Vertreterin des Gesetzes gehört werden. Die 
Oeffentlichkeit der Verhandlungen ist die Regel. Sie kann nur ausgeschlossen 
werden, wenn die Staatsanwaltschaft bei dem Obertribunal darauf anträgt, um die 
Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen zu verhindern; die Verhandlung hierüber 
erfolgt in geheimer Sitzung in Gegenwart der Kommissarien der Häuser und der 
Angeklagten, welche auf ihr Verlangen gehört werden müssen. Die Entscheidung 
des Obertribunals kann durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden. 
Die Vorschriften der Strafprozeßordnung, welche das Verfahren und die
	        
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