Full text: Die Ministerverantwortlichkeit und der Staatsgerichtshof im Königreich Sachsen.

34 Die Ministerverantwortlichkeit in Baden. 
haltenen Bestimmungen sind jedoch durch ein späteres Gesetz vom 20. Februar 
1868 aufgehoben und an deren Stelle folgende gesetzt worden: 
Jede That, wodurch von einem, keiner vorgesetzten Behörde untergeordneten 
Staatsbeamten die Verfassung oder anerkannt verfassungsmäßige Rechte entweder 
im Ganzen oder in einzelnen Punkten wirklich verletzt werden, ist dieser Anklage 
unterworfen. Als Mitglied der obersten Staatsbehörden sind anzusehen die 
ordentlichen und außerordentlichen Mitglieder des Staatsministeriums. Rührt 
die That von einem Staatsdiener her, welcher nicht Mitglied der obersten Staats- 
behörde ist, oder doch in diesem Falle als in seiner Dienstführung derselben 
untergeordnet betrachtet werden muß, so haben die Stände das Recht, ihre Be- 
schwerde bei der höchsten Behörde anzubringen, welche der Verletzung auf der 
Stelle abzuhelfen und entweder im Wege der Dienstordnung, oder durch die zu- 
ständige Justizstelle die gebührende Ahndung eintreten zu lassen hat. 
Die förmliche Anklage dagegen kann von den Kammern gegen diejenigen, 
keiner vorgesetzten Behörde untergeordneten Staatsbeamten angestellt werden, 
welche eine Verfügung oder einen Beschluß, wodurch die Stände der Verfassung 
oder anerkannt verfassungsmäßigen Rechte für verletzt halten, unterschrieben 
haben. Alle auf die Verfassung und verfassungsmäßigen Rechte sich beziehenden 
Verfügungen und Beschlüsse werden daher von einem oder mehreren dieser ver- 
antwortlichen Staatsdiener unterzeichnet. 
Im Falle, daß ein dieser Anklage unterworfener Staatsdiener, ehe dieselbe 
angebracht wird, aus dem Staatsdienste treten sollte, hört das Anklagerecht der 
Stände mit dem Beschlusse des ersten, nach dem Dienstaustritte desselben zusam- 
menberufenen Landtages auf, vorbehaltlich übrigens der über die Verjährung der 
Vergehen und Verbrechen bestehenden gesetzlichen Vorschriften. 
Wenn die Stände klagend auftreten zu müssen glauben, so sind die Anklage- 
punkte bestimmt zu bezeichnen und in jeder Kammer durch eine Kommission zu 
prüfen, wobei das sonst nach der Geschäftsordnung zulässige abgekürzte Ver- 
fahren niemals statthaben kann. 
Vereinigen sich beide Kammern durch Zustimmung der Mehrheit einer jeden 
derselben über das Anbringen der Klage, so wird sie von derjenigen Kammer, 
welche den Antrag gestellt hat, sammt den Belegen durch eine Deputation an 
den Großherzog gebracht und zugleich der höchsten Staatsbehörde im gewöhnlichen 
Wege davon Nachricht ertheilt. 
Die auf diese Weise an den Großherzog gebrachte Anklage wird sofort dem 
Oberhofgericht, als der obersten Justizstelle, zur Verhandlung und Entscheidung 
übergeben. 
Dieselbe hat diese Gegenstände in vollem Rathe vorzunehmen, und wird in 
dem Falle, daß eines oder mehrere ihrer Mitglieder etwa zur Zeit der Anklage 
Mitglieder der Ständeversammlung gewesen wären, in welchem Falle deren 
Stimmrecht im Oberhofgericht ruht, durch eine gleiche Anzahl der dem Dienst- 
alter nach ältesten Räthe der Hofgerichte ergänzt. In diesem Falle tritt der 
Anklageprozeß ein.
	        
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