Die Ministerverantwagtlichkeit in Baden. 39
Das Ergebniß wird der obersten Staatsbehörde mitgetheilt, und die Zu-
sammensetzung des Gerichtshofes durch den Staatsanzeiger bekannt gemacht.
Hat der Präsident der ersten Kammer den Vorsitz übernommen, so wird er
im Falle der Verhinderung durch den Präsidenten des obersten Gerichtshofes ver-
treten. Ist der Letztere verhindert, so tritt bis zur Bildung des Staatsgerichtshofes
der zweite Vorsteher des obersten Gerichtshofes an seine Stelle; nachher wählt
der Staatsgerichtshof den Stellvertreter durch relative Stimmenmehrheit aus
seiner Mitte.
Bei der Verhandlung und Entscheidung über die Anklage müssen außer dem
Präsidenten mindestens 18 Mitglieder des Staatsgerichtshofes und darunter min-
destens 12 Mitglieder der ersten Kammer ununterbrochen anwesend sein.
Die sämmtlichen Mitglieder des Staatsgerichtshofes sind zur Theilnahme an
den Funktionen desselben verpflichtet. Der Versammlungsort des Staatsgerichts-
hofes ist die Residenzstadt.
Das Verfahren ist in folgender Weise geordnet.
Das Verfahren vor dem Staatsgerichtshofe richtet sich im Allgemeinen nach
den Vorschriften, welche die Strafprozeßordnung für die Hauptverhandlung vor
den erkennenden Gerichten aufgestellt hat, soweit die folgenden Paragraphen keine
besonderen Bestimmungen enthalten.
Die Anklage muß die Thatsachen, auf welche sie gegründet wird, und die
dafür erforderlichen Beweise, die Bezeichnung der dem Angeklagten zur Last ge-
legten Verschuldung und die Anträge enthalten. Neue Anschuldigungsthatsachen
können im Laufe des Verfahrens nicht vorgebracht oder berücksichtigt werden.
Der Angeklagte kann nur wegen der Verschuldung verurtheilt werden, welche
in der Anklage ausdrücklich bezeichnet ist.
Der Präsident des Staatsgerichtshofes läßt alsbald nach Empfang der An-
klage dem Angeklagten eine Ausfertigung derselben nebst ihren Beilagen mit der
Aufforderung zustellen, bis zu der nach §. 8. anzuberaumenden Sitzung die
Thatsachen und Beweise, die zu seiner Entlastung bei der Hauptverhandlung
berücksichtigt werden sollen, sowie auch seinen etwaigen Vertreter und Verthei-
diger schriftlich zu bezeichnen.
Sobald die erforderlichen Vorbereitungen getroffen sind, bestimmt der Prä-
sident des Staatsgerichtshofes, indem er zugleich die etwa eingekommenen An-
träge des Angeklagten den Kommissaren der zweiten Kammer mittheilt, den
Sitzungstag für die Hauptverhandlung, und erläßt Vorladungen an alle Per-
sonen, die dabei zu erscheinen haben. Die Verhandlung wird mit Verlesung der
Anklage nebst ihren Beilagen begonnen, und der Angeklagte über die derselben
zu Grunde liegenden oder sonst für die Urtheilsfällung erheblichen Thatumstände
vernommen. Ebenso werden die Vertreter der Anklage über die vom Angeklagten
vorgebrachten Thatsachen und Beweise gehört, und sodann die über die bestritte-
nen Thatsachen vorgeschlagenen Beweise erhoben.
Nach geschlossener Erhebung des Thatsächlichen werden die Vertreter der
Anklage mit der Begründung ihrer Anträge und sodann der Angeklagte bezie-