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(Nr. 496.) Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund. Vom 31. Mai 1870.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen etc.
verordnen im Namen des Norddeutschen Bundes, nach erfolgter Zustimmung
des Bundesrathes und des Reichstages, was folgt:
Einleitende Bestimmungen.
§. 1.
Eine mit dem Tode, mit Zuchthaus, oder mit Festungshaft von mehr
als fünf Jahren bedrohte Handlung ist ein Verbrechen.
Eine mit Festungshaft bis zu fünf Jahren, mit Gefängniß oder mit
Geldstrafe von mehr als fünfzig Thalern bedrohte Handlung ist ein Vergehen.
Eine mit Haft oder mit Geldstrafe bis zu fünfzig Thalern bedrohte
Handlung ist eine Uebertretung.
§. 2.
Eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn
diese Strafe gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde.
Bei Verschiedenheit der Gesetze von der Zeit der begangenen Handlung
bis zu deren Aburtheilung ist das mildeste Gesetz anzuwenden.
§. 3.
Die Strafgesetze des Norddeutschen Bundes finden Anwendung auf alle
im Gebiete desselben begangenen strafbaren Handlungen, auch wenn der Thäter
ein Ausländer ist.
§. 4.
Wegen der im Auslande begangenen Verbrechen und Vergehen findet in
der Regel keine Verfolgung statt.
Jedoch kann nach den Strafgesetzen des Norddeutschen Bundes verfolgt
werden
1) ein Ausländer, welcher im Auslande eine hochverrätherische Handlung
gegen den Norddeutschen Bund oder einen Bundesstaat, oder ein Münz-
verbrechen begangen hat;
2) ein Norddeutscher, welcher im Auslande eine hochverrätherische oder
landesverräterischer Handlung gegen den Norddeutschen Bund oder einen
Bundesstaat, eine Beleidigung gegen einen Bundesfürsten, oder ein
Münzverbrechen begangen hat;
3). ein Norddeutscher, welcher im Auslande eine Handlung begangen hat,
die nach den Gesetzen des Norddeutschen Bundes als Verbrechen oder
Vergehen anzusehen und durch die Gesetze des Orts, an welchem sie
begangen wurde, mit Strafe bedroht ist.
Die Verfolgung ist auch zulässig, wenn der Thäter bei Begehung
der Handlung noch nicht Norddeutscher war. In diesem Falle bedarf
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