thumbs: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

Von Vertraͤgen. 215 
§. 176. Unter diesen Zeichen muß der Richter oder Notarius gehörig attesti- 
ren, daß und warum sie von dem Kontrahenten statt der Unterschrift gebraucht worden. 
§. 177. Kann der Kontrahent auch keine solche Zeichen beifügen, so muß ein 
von ihm gewähltr.) Beistand die Unterschrift in seinein Namen leisten; und daß die- 
ses geschehen sei, von dem Richter oder Notario attestirt werden. 
§. 178. Die unterlassene Beobachtung dieser Vorschriften (5§. 175, 176, 177) 
benimmt zwar für sich allein dem Vertrage noch nichts an seiner verbindlichen Kraft; 
der Richter oder Notarins aber wird wegen der daraus entstehenden Weitläufigkeiten 
und Kosten verantwortlich. 
Anh. §. 5. Persouen, die nicht schreiben und Geschriebenes lesen können, müssen Jemand mit 
zur Stelle bringen #7), der, es sei ein Rechtsanwallt oder soust ein glaubhafter Mann, in ihrem 
Namen die Unterschrift verrichtet #). 
Diese Vorschrist muß der Richter solchen Kontrahenten, deren Stand oder Ansehen es zweifelhaft 
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daß der Betheiligte dabei nur die Feder oben am Eude aufaßt, woraus bisweilen ein Ausechtunge 
grund gemacht wird. Das Obertr. hat in cinem solchen Falle den Satz angenommen: „Einer nota 
riellen Verhandlung kann deshalb, weil der Betheiligte das die Unterschrist vertretende Haudzeichen 
nicht selbstständig, sondern mit Hülfe cines Anderen gefertigt hat, die beweisende Kraft nicht versagt 
werden. Es genügt vielmehr, wenn der Betdeiligte bei Fertigung des Paudzeicheus in einer Weise 
mitgewirkt hat, daß daraus sein Wille erkennbar ist, das Haudzeichen als Zeichen seiner Genchmigung 
der aufgenommenen Verhandlung beizusügen.“ Erk. v. 22. Nov. 1854 (Emsch. Bd. XXIX. S. 245). 
66) Oder von dem Richter zugeordneter, wenn die Partei keinen mitbringt oder wählt. Anh. z. 
A. G.O. §. 70. — Nicht bloß bei prozessualischen, sondern auch bei Haudlungen der freiwilligen Ge- 
richtsbarkeit muß der Richter, wenn die schreibensunkundige Partei unterläßt, zum Zwecke der zu ver- 
richtenden Unterschrift einen glaubhaften Mann mitzubringen, derselben den Schreibzengen von Amts- 
wegen zuordnen. Pr. des Obertr. 1822 (Pl.-Beschl.) v. 15. Januar 1817 (Entsch. Bd. XIV. S. 3). 
67) S. die vor. Aum. — 1. Wenn ein Protokollführer zugezogen, ist der Beistand nicht erfor- 
derlich. (Zus. 3 zu Anh. §. 5 u. Eutsch. des Obertr. Bd. XVII, S. 460.) Allein der Umstand, daß 
der zugezogene Unterschriftszeuge eine Gerichtsperson ist, reicht nicht aus, um eine, mit Analphabeten 
abgehaltene Verhandlung als cine von zwei Gerichtspersonen ausgenommene zu crachten. Pr. , 
v. 8. Januar 1848 (Emsch. XVI. 101). 
2. Wenn bei zweiseitigen Verträgen beide Kontrahemen des Schreibens unkundig sind, so ist der 
Umstand für sich allein, daß der iustrumentirende Richter Beiden ein und denselben#llmterschriftszeugen 
zugcordnet hat, noch nicht ausreichend, um den Vertrag auf einseitiges Aurusen des einen Theils für 
nichtig zu erklären. Dass. Pr. Nr. II. 
68) Der bei einer gerichtlichen, ohne Protokollführer ausgenommenen Verhaudlung zugezogene Un- 
terschriftsbeistand muß den Namen der schreibensunfähigen Partei selbst schreiben (etr. S. 46, Tit. 2, 
Th. II A. G.O.), und es genügt nicht, wenn der Richter neben den von der Partei gemachten Kreu- 
zen die Namen geschrieben, und der Beistand bemerkt hat, daß die Kreuze in seiner Gegenwart ge- 
macht worden. Pr. 749, v. 31. Oktober 1839. (3. A.) Bon dieser Meinung ist das Obertr. durch 
Pl.-Beschl. v. 7. Mai 1855 wieder abgegangen, welcher lautet: „Bei einer von einem Richter ohne 
Zuziehung eines Protokollführers mit einem Schreibensunerfahrenen ausgenommenen Verhandlung ist 
es nicht erforderlich, daß der zugezogene Unterschriftsbeistand den Namen des Schreibensunersahrenen 
oder irgend einen Theil desjenigen Vermerké selbst schreibt, der die Handzeichen des Schreibensuner= 
sahrenen betrifft. Es genügt vielmehr die bloße Namensunterschrift des Beistandes.“ (I. M. Bl. S. 176 
und Enrsch. Bd. XXX, S. 393.) 
So oder so, Beides ist, juristisch betrachtet, gleichgültig, Jedes hat gleich gute Gründe für sich, 
wie denn auch die Gründe dieses Plenarbeschl. keinen Grün gewichnger sind als die des Pr. 749; 
aber Eins ist von Nöthen: wir müssen Rechtsgewißheit haben und uns darauf verlassen können, daß 
die Meinungen in solchen Dingen nicht wie Kleidungestücke gewechselt werden. Der vorliegende Wechsel 
dat keinen zwingenden Grund und fordert nichts. 
Desgleichen bleibt eine ohne Protokollführer ausgenommene Verhandlung für den Analphabeten 
unverbindlich, wenn die Kreuze nur von dem Richter auestirt sind, wenngleich ein mit dem Analpha- 
beten erschienener Aisistent für sich selbst, ohne als Schreibzeuge adhibirt worden zu sein, die Ver- 
handlung unterschrieben hat. Pr. 246 v. 5. Mai 1837. 
Die von einer einzelnen Gerichteperson mit einer schreibensunkundigen Partei ausgenommene Ver- 
handlung ist aus dem Grunde, weil das Protokoll keine Angabe darlber euthält: „daß und wie der 
zugejogene Unterschriftsbeistand der Unterkrenzung und Genehmigung desselben beigewohnt hat“, für 
dr —x Parei nicht unverbindlich. Pr. 2065 (Pl.-Beschl.) v. 6. Nopbr. 1848 (Entsch. 
d. XVII, S. 66).
	        
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