1. Königliches Haus-Gesetz vom 8. Juni 1828. 123
machte; so wird der König den im vorhergehenden Artikel erwähnten
Familien-Rath, unter Beiziehung der beiden Vorstände des Ober-
tribunals, als obersten Königlichen Gerichtshof constituiren, damit
von demselben nach gepflogener Untersuchung und auf den Vortrag
des Justiz-Ministers, nach den rechtlichen Verhältnissen des Falls,
ein Erkenntniß gefällt werde.
Letzteres wird sodann dem Könige vorgelegt und, Falls keine
Begnadigung erfolgt, dessen Vollziehung angeordnet.
Dieser Bestimmung ist derogirt durch das Gesetz zur Aus-
führung der Reichs-Strafprozeßordnung, v. 4. März
1879 (Ne 6 des Regierungs-Blattes vom 12. März 1879 S.ö50ff.),
in Kraft v. 1. Oktober 1879. Dieses bestimmt:
Art. 1.
Die Mitglieder des Königlichen Hauses haben in
Strafsachen ihren Gerichtsstand bei dem Oberlandes-
gericht.
Nachdem die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens
durch Königliche Entschließung angeordnet worden ist,
wird von dem Präsidenten des Oberlandesgerichts aus
der Zahl der Mitglieder desselben ein Untersuchungs-
richter bestellt.
Die Entscheidung erfolgt durch das Plenum des
Oberlandesgerichts auf Grund der Ergebnisse der Unter-
suchung. Das Gericht kann übrigens einen Termin zu
mündlicher nichtöffentlicher Verhandlung der Sache anbe-
raumen. Dem Angeschuldigten muß Gelegenheit zu seiner
Vertheidigung gegeben werden.
. 50
! Wird der Angeschuldigte verurtheilt, so muß das S. öu
Urtheil dem Könige behufs etwaiger Ausübung des Be-
gnadigungsrechts vorgelegt werden.
Ein Rechtsmittel findet nicht statt.
Art. 2.
Das Staatsoberhaupt kann nicht als Zeuge aufge-
rufen werden.
Die Mitglieder des Königlichen Hauses werden als
Zeugen durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts
vernommen und vereidet (Reichs-Strafprozeßordnung
5. 71 Abs. 1 und 2). Die Bestimmungen der 55. 167 und
191 der Reichs-Strafprozeßordnung finden hiebei keine
Anwendung.