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zu erörtern und nach allen Seiten in ihren praktischen Konsequenzen zu ver—
folgen. 3. Soweit die Antworten sich nur auf einzelne Gewerbzweige be—
ziehen, sind diese ausdrücklich hervorzuheben.“ Das Programm verbreitete
sich über die Verhältnisse der Lehrlinge, Gesellen und Fabrikarbeiter in
29 Fragen. 1)
Der Bundesratsausschuß für Handel und Verkehr änderte das Programm
in 9 Punkten ab. Hauptsächlich wurden die Fragen hinzugefügt: „Welche Ver-
suche sind von Arbeitgebern gemacht, um dem eigenmächtigen Austritt der
Lehrlinge bezw. der Gesellen durch kontraktliche Regelung des Lehrverhältnisses
vorzubeugen, und wie haben sich dieselben bewährt?“ und „Welche Mittel
empfehlen sich, um dem eigenmächtigen Austritt im Wege der Gesetzgebung
entgegenzutreten?"
Der Bundesrat beschloß in seiner Sitzung vom 19. Februar 1875, dem
Antrag des Reichskanzlers mit der Maßgabe die Zustimmung zu erteilen, daß
in dem Programm die von dem Ausschusse vorgeschlagenen Aenderungen vor-
genommen werden und außerdem in der Frage 6 des Programms hinter den
Worten: „Abenden und Sonntagen“ eingeschaltet wird: „oder, wo die Fort-
bildungsschulen in den Tagesstunden gehalten werden, an diesen.“
Auf Grund der Anordnungen des Bundesrats fanden im Laufe des Jahres
1875 umfangreiche Ermittelungen statt, die sich, mit Ausnahme von Elsaß-
Lothringen, auf das ganze Bundesgebiet erstreckten. Für die verschiedenen
Bezirke der einzelnen Bundesstaaten wurden Beamte berufen, welche die ihnen
bezeichneten, mit Rücksicht auf die Kenntnis des Gewerbewesens ausgewählten
Männer über die in dem Programm enthaltenen Fragen zu vernehmen hatten.
Die Sachverständigen waren ganz überwiegend aus dem Stande der Arbeit-
geber (Fabrikbesitzer, Meister) oder der Arbeitnehmer (Fabrikarbeiter und Ge-
sellen), und zwar unter Berücksichtigung der verschiedenen, in dem gewerblichen
Leben vertretenen Richtungen, ausgewählt. Neben ihnen wurden aber auch
andere, mit dem gewerblichen Leben vertraute Personen, insbesondere Gemeinde-
beämte, Mitglieder von Gewerbegerichten, Lehrer an gewerblichen Schulen zu
den Vernehmungen herangezogen. Abgesehen von den in dieser Weise zur
Abgabe ihrer Meinungen von den Behörden eingeladenen Männern wurden
anderweite Sachverständige, die Vorstände von gewerblichen Vereinen, einzelne
Arbeiter und Arbeitgeber, welche aus eigenem Antrieb ihre Meinung über die
gestellten Fragen abzugeben wünschten, nicht vom Worte ausgeschlossen. Fast
überall trafen die Erhebungen unter Arbeitgebern wie Arbeitnehmern auf
Verständnis und bereitwilliges Entgegenkommen. 2)
1) Dieselben sind einzeln abgedruckt in der „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 37 v. 13. 2. 75
Vgl. auch die Nr. 32 v. 7. 2. 75.
2) Auf die Ergebnisse dieser Enquête werden wir später (6. Session des Bundesrats)
zurückkommen.