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Mitte Juli 1874 legte der Reichskanzler den Bundesregierungen den von dem
Geheimen Regierungsrat Michaölis bearbeiteten Entwurf eines neuen Bankgesetzes
vor. 1) Derselbe beschränkte sich auf die einheitliche Regelung der Vorschriften
über die metallische Bedeckung der Banknoten und auf den Vorschlag, alle un-
bedeckte Notenausgabe einer Besteuerung zu Gunsten des Reiches zu unterwerfen.
Die Gründung einer Reichsbank war nach der Vorlage für die nächste Zukunft
nicht beabsichtigt, viel mehr sollte die Preußische Bank neben sämtlichen übrigen
fortbestehen können, aber wie alle andern den neuen Deckungsvorschriften und
der beabsichtigten Steuer unterworfen sein. Durch diese vorläufige Regelung
der Angelegenheit sollte erreicht werden: die Herstellung einer Einnahme für
das Reich aus der Banknotenemission, die teilweise Konservirung der Einnahme
Preußens aus der Preußischen Bank, die Möglichkeit, denjenigen süddeutschen
Staaten, welche Wert auf die Erhaltung ihrer Landes-Zettelinstitute ohne Kon-
kurrenz einer Reichsbank legten, diesen Wunsch zu erfüllen, endlich eine sehr
erschwerte Stellung der kleinen Zettelbanken, deren Fähigkeit, überhaupt Noten
zu emittiren, sehr fraglich wurde, sobald man nur noch Noten in Abschnitten
von wenigstens 100 Reichsmark zuließ.
Im September 1874 begannen die Bundesratsausschüsse für Handel und
Verkehr sowie für Rechnungswesen die Beratung über das Bankgesetz. Als
Referenten fungirten der bayerische Ministerialrat v. Riedel und der württem-
bergische Ober-Steuerrat Wintterlin.
Am 28. September hatten die Ausschüsse 2) die erste Lesung des Bank-
gesetzes beendet. Der Entwurf wurde im wesentlichen angenommen; die Prin-
zipien desselben wurden durch die Debatte und die Beschlüsse nicht berührt.
Die Verteilung der Noten wurde mit der Modifikation angenommen, daß der
Normalumlauf der ungedeckten Noten die Summe von 300 Millionen Mark
nicht übersteigen durfte; dazu kam, daß in Erledigung des zu Gunsten Bayerns
gemachten Vorbehalts die bayerischen Banken die fernere Summe von 40 Mil-
lionen Mark (später 70 Millionen Mark) innerhalb der einprozentigen Steuern
ausgeben durften. Dieser Betrag war nach Maßgabe der Bevölkerung fest-
gestellt. Ferner war eine wichtige Aenderung dahin vorgenommen, daß sämt-
liche deutschen Notenbanken außer an den Orten ihres Domizils auch in der
Reichshauptstadt ihre Noten sofort bei der Präsentation einlösen sollten. Ein
Antrag Badens, dahingehend, den Reichskanzler aufzufordern, sich mit der
die Aktiengesellschaften vom 11. Juni 1870 hatten in dieser Beziehung manche Unklarheiten
bestanden; die Stellung des Reichskanzlers hatte deshalb ein besonderes Interesse. Agl.
darüber die „Nat.-Ztg.“ Nr. 47 v. 29. 1. 74.
1) In Kohls Bismarck-Regesten ebenso wie die Vorlage von Ende 1873 übersehen.
2) Ueber den Gang und Stand der Ausschußberatungen vgl. die „Nat.-Ztg.“ Nr. 438
v. 21. 9. 74, Nr. 450 v. 28. 9. 74, Nr. 451 v. 29. 9. 74, Nr. 453 v. 30. 9. 74,
Nr. 484 v. 17. 10. 74, Nr. 489 v. 21. 10. 74, Nr. 499 v. 27. 10. 74, Nr. 501
v. 28. 10. 74, Nr. 505 v. 30. 10. 74.