Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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Der Bundesrat beschloß, sämtliche Bundesregierungen um eine Aeußerung 
zu ersuchen, ob und in welcher Beziehung eine Abänderung des Strafgesetzbuchs 
angezeigt erscheine. 
Die Erledigung des preußischen Antrags zog sich bis in das Jahr 1876 hinaus. 
Abschaffung deröffentlichen Häuser in Hamburg. Der Justiz- 
ausschuß des Bundesrats erstattete über die bereits früher erwähnte, dem Bundes- 
rat unterbreitete Meinungsverschiedenheit wegen Auslegung des § 180 des 
Reichsstrafgesetzbuchs 1) Bericht. Es handelte sich dabei bekanntlich um die Zu- 
lässigkeit oder das Verbot der in Hamburg bestehenden öffentlichen Häuser. 
Bei der Beratung in der Sitzung des Ausschusses, welcher der hamburgische 
Oberstaatsanwalt Dr. Mittelstaedt anwohnte, trat der Ausschuß nach eingehender 
Prüfung und Erwägung der Sache in der Mehrheit von 5 gegen 2 Stimmen 
der Auffassung des Reichskanzler-Amts bei, indem er sich für den Antrag ent- 
schied: „Der Bundesrat wolle sich damit einverstanden erklären, daß der Senat 
der freien Hansestadt Hamburg ersucht werde, wegen Abschaffung der daselbst 
bestehenden Bordelle das Geeignete zu verfügen." 
Der Bundesrat beschloß, sich die Entscheidung der Angelegenheit bis zur 
Revision des Strafgesetzbuchs vorzubehalten. 
Die großen Justizgesetze. 
1. Die Zivilprozeßordnung.2:) Am 21. Februar 1874 hatte der 
Justizausschuß die Beratung des Entwurfs in Angriff genommen. Wesentlich 
waren es die Fragen der Gestaltung des Instituts der Gerichtsvollzieher und 
des Rechtsmittels der dritten Instanz, welche den Gegenstand von Meinungs- 
verschiedenheiten innerhalb des Ausschusses bildeten. 
Bayern erklärte sich von vorn herein bereit, der Errichtung eines Reichs- 
gerichts für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zuzustimmen, bei welchen die 
Entscheidung nach reichsrechtlichen Normen zu erfolgen habe, betonte aber gleich- 
zeitig die Unmöglichkeit, diesem Reichsgerichte auch die Entscheidung in Rechts- 
streitigkeiten zu übertragen, welche auf Landesrecht beruhten, mit andern Worten: 
in die Aufhebung des bayerischen obersten Gerichtshofes einzuwilligen, so lange 
das in Aussicht genommene deutsche Zivilgesetzbuch nicht in Kraft getreten ist. 
Dieser Vorbehalt wurde seitens des Ausschusses acceptirt. 
Ein bestimmter Beschluß war erst durch die Beratung über das Gerichts- 
organisationsgesetz zu erwarten. Uebrigens schien der Justizausschuß sich der 
1) Vgl. Bd. II. S. 353. 
2) Vgl. Bd. II. S. 217. Eine vortreffliche Rückschau über die Entstehung derselben, 
beginnend mit dem Bundesratsbeschlusse vom 8. Mai 1871 bis zur Mitteilung des Ent- 
wurfs an den Reichstag (Sept. 1874), findet sich im „Reichsanzeiger“ v. 16. 9. 74, ab- 
gedruckt in der „Nordd. Allg. Ztg. Nr. 215 v. 16. 4. 74.
	        
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