Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

— 120 — 
die Kontravention anschließen — ein Gedanke, der in der letzten Sitzung des 
preußischen Landtags bei Beratung des Etats der Polizeibehörden zur Anregung 
gekommen war. 
Auch die Frage der Schöffengerichte war zur Entscheidung gelangt. Es lag 
eine Reihe von Abänderungsvorschlägen zu den Ausschußanträgen vor, worin sich 
zwei Auffassungen unterscheiden ließen. Während Sachsen die Hinzuziehung von 
Schöffen auch bei den mittleren Gerichten, den Landgerichten, befürwortete, so · daß 
also die Strafgerichte unterster und mittlerer Art Schöffengerichte, die oberen 
Strafgerichte Geschworenengerichte sein würden, wollte Hamburg die Schöffen 
bei den mittleren Gerichten zuziehen, wo der Entwurf der Gerichtsverfassung 
dieselben ausschloß, aber die Schöffen bei den Amtsgerichten beseitigen, wo der 
Entwurf die Zuziehung derselben vorschlug. 
Hessen beantragte für den Fall, daß der von Sachsen gestellte Antrag auf 
Einführung großer Schöffengerichte für Strafsachen mittlerer Ordnung die Zu— 
stimmung des Bundesrats nicht erhalten sollte, zu 8 57 den Zusatz: „Die 
Strafkammern als erkennende Gerichte werden mit 5 Mitgliedern einschließ— 
lich des Vorsitzenden besetzt,“ ebenso zu der Strafprozeßordnung, in 8 222 
die geforderte Einhelligkeit bei den Strafkammern zu streichen. Motivirt wurden 
diese wichtigen Abänderungsanträge durch die Bemerkung, daß die Besetzung der 
Strafkammern als erkennende Gerichte mit nur 3 Richtern bei der Schwere 
der von ihnen abzuurteilenden strafbaren Handlungen und bei dem Ausschlusse 
jeder Berufung zu schwach sei. Der Versuch, diesem Uebelstande durch das 
Erfordernis der Einhelligkeit der Stimmen für jede dem Angeklagten nachteilige 
Entscheidung zu begegnen, biete an sich selbst schon Bedenken dar, durchbreche 
die Gleichförmigkeit der gesetzlichen Bestimmungen und sei geeignet, zu der 
Forderung einer gleichen Bestimmung in Betreff der Schwurgerichte und der 
Schöffengerichte zu führen. 
Der Bundesrat lehnte die Abänderungsanträge sowohl Sachsens als Ham- 
burgs ab, so daß es also dabei verblieb, daß die deutschen Strafgerichte sich 
künftig in folgender Weise aufbauten: 1 Amtsrichter mit 2 Schöffen, darüber 
Strafkammern ausschließlich mit rechtsgelehrten Richtern und darüber Schwur- 
gerichte. Der erwähnte hessische Antrag wurde angenommen. 
In dem Protokoll über die Sitzung vom 16. Juni heißt es in Betreff 
des erwähnten sächsischen Antrages wegen Einführung von Schöffengerichten 
für Strafsachen mittlerer Ordnung: Nachdem der Justizminister Dr. Leonhardt 
sich gegen diesen Antrag ausgesprochen, erklärte der Obertribunalsrat v. Beyerle 
(Württemberg): „Der sächsische Antrag enthalte nur eine Wiederaufnahme des 
von dem Vertreter der württembergischen Regierung als Referenten über den 
Entwurf der Strafprozeßordnung im Justizausschusse gestellten Antrags. Wenn 
der Antragsteller denselben in der Sitzung des Justizausschusses vom 27. Fe- 
bruar d. J. zurückgezogen habe, so sei dies nur geschehen, nachdem und weil
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.