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Vollstreckung der gegen Militärpersonen erkannten Frei—
heitsstrafen. Ueber die Frage, welcher Zivilbehörde die Vollstreckung der
gegen Militärpersonen unter Entlassung aus dem Soldatenstande erkannten Frei-
heitsstrafen obliege, bestanden zwischen den Königlich preußischen Ministerien des
Krieges und des Innern verschiedene Ansichten, indem ersteres den Heimatsstaat
des Verurteilten dazu für verpflichtet erachtete, letzteres aber das forum delicti
commissi für maßgebend hielt. Wenngleich von zuständiger Seite die prin-
zipielle Regelung dieser Frage in dem Entwurfe zu einer neuen Militärstrafprozeß-
ordnung in Aussicht gestellt war, so hatte doch inzwischen diese Differenz bereits
zu Unzuträglichkeiten, so neuerdings in Mecklenburg, geführt und es hatte die
Regierung Mecklenburg-Schwerins ihren Bevollmächtigten beim Bundesrate
angewiesen, eine vorläufige Entscheidung der obengedachten Frage durch den
Bundesrat in der Richtung zu beantragen: „Daß der Heimatsstaat verpflichtet
sei, die gegen Militärpersonen erkannten Freiheitsstrafen dann zu vollstrecken,
wenn nach § 15 des Militärstrafgesetzbuchs vom 20. Juni 1872 die Voll=
streckung auf die bürgerlichen Behörden übergeht.“
Die vereinigten Ausschüsse für das Landheer und die Festungen sowie
für Justizwesen beantragten in ihrem Bericht, der Bundesrat wolle beschließen,
daß die Vollstreckung der betreffenden Strafen durch die bürgerlichen Behörden
des Heimatstaates, wenn entweder die strafbare Handlung außerhalb des Bundes-
gebiets verübt worden, oder der Verurteilte im Gebiet des Heimatstaates sich
aufhält, in anderen Fällen durch die bürgerlichen Behörden des Bundesstaats,
in dessen Gebiet die strafbare Handlung verübt worden ist, zu erfolgen habe. 1)
Impfzwang. Doas seit längerer Zeit in Deutschland bemerklich gewor-
dene Umsichgreifen der Blatternkrankheit hatte in den Blatternepidemien der
letzten Jahre eine beunruhigende Höhe erreicht und das Bedürfnis nach einer
wirksamen Bekämpfung der gefährlichen Seuche allgemein fühlbar gemacht. Aus
Anlaß der Erörterungen, welchen infolgedessen die Anwendung der Kuhpocken-
Impfung in ärztlichen wie in nichtärztlichen Kreisen unterzogen wurde, waren
1) Bundesratsverhandlungen über Auslieferungsverträge zwischen dem Deutschen Reich
und Nordamerika (Vorlage des Reichskanzlers) s. „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 301 v. 25. 12. 74
u. Nr. 25 v. 30. 1. 75, mit Luxemburg Nr. 18 v. 22. 1. 74, mit der Schweiz Nr. 27
v. 1. 2. 74, mit Schweden und Norwegen Nr. 235 v. 9. 10. 74, mit Brasilien Nr. 43
v. 20. 2. 74, mit Belgien „Nat.-Ztg.“ Nr. 241 v. 28. 5. 74 u. Nr. 9 v. 7. 1. 75.
Bundesratsverhandlungen über das Geschäftsregulativ des Oberhandelsgerichts in Leipzig
„Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 132 v. 10. 6. 74 u. Nr. 148 v. 28. 6. 74. Geschäftsübersicht
desselben pro 1873 Nr. 18 v. 22. 1. 74, desgleichen pro 1874 Nr. 17 v. 21. 1. 75.
Anstellung eines dritten Beamten der Staatsanwaltschaft Nr. 262 v. 10. 11. 74. Bundes-
ratsvorlage wegen Abschlusses eines Vertrags zwischen dem Deutschen Reich und Oesterreich
wegen Regelung der gegenseitigen Rechtshilfe in zivilrechtlichen Angelegenheiten Nr. 96
v. 25. 4. 74.