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Aus der Rheinpfalz kam die erste Anregung zu dem Gesetz an der Hand
von Besorgnissen, die nur zu begründet waren und die durch die letzten sehr
bedenklichen Nachrichten von den nächsten Grenzen Deutschlands neue Unterlagen
gewonnen hatten. Es wäre die Anregung von Bedenken vor der dritten Lesung
des Gesetzes im Reichstage durchaus am Platze gewesen, jetzt wirkten sie um so
befremdlicher, als man allseitig ein vollständiges Einverständnis der Bundes-
regierungen gegenüber einem Uebelstand voraussetzte, dessen Umsichgreifen große
Gefahren befürchten ließ.
Ueber die Abstimmungen der einzelnen Regierungen ist folgendes zu bemerken:
der Königlich bayerische Bevollmächtigte erklärte, daß die bayerische Regierung
die Tendenz des Gesetzentwurfes anerkenne und vollkommen bereit sei, im Wege
einer Vereinbarung sich mit den Bundesregierungen über gemeinsame Vorsichts-
maßnahmen gegen das Umsichgreifen der Reblauskrankheit zu verständigen;
dagegen vermöge sie der reichsgesetzlichen Behandlung dieser Angelegenheit nicht
beizustimmen, da die Verfassung derartige Fragen nicht in den Bereich der
Reichslegislative gezogen habe. Der Königlich sächsische Bevollmächtigte erklärte:
Die Königlich sächsische Regierung ist zwar der Ansicht, daß die Kompetenz zur
Erlassung des vorliegenden Gesetzes in der Reichsverfassung nicht begründet ist.
Mit Rücksicht jedoch darauf, daß das Gesetz nur präparatorische Maßregeln zur
Bekämpfung der Krankheit im Auge hat und dieselben nur dann Erfolg ver-
sprechen, wenn sie einheitlich geleitet werden, so sprechen überwiegende Zweck-
mäßigkeitsgründe dafür, sie dem Reiche zu überlassen. Die Königlich sächsische
Regierung verwahrt sich jedoch ausdrücklich dagegen, daß daraus ein Präjudiz
für die weitere legislative Behandlung dieser Angelegenheit oder überhaupt für
künftige ähnliche Fälle entnommen werde.
Der Königlich württembergische Bevollmächtigte erklärte: die Königlich würt-
tembergische Regierung erachte zwar die Kompetenz des Reichs nach Art. 4 der
Reichsverfassung nicht hergestellt und würde gewünscht haben, daß der Gesetz-
entwurf eine entsprechende Mitwirkung des Bundesrats beziehungsweise der
Einzelregierungen vorgesehen hätte, sie stimmt aber mit Rücksicht auf die Größe
der drohenden Gefahr und die Notwendigkeit des Zusammenwirkens, worüber
eine Vereinbarung unter den Regierungen nicht zu erzielen war, dem vom
Reichstag beschlossenen Gesetzentwurfe in dem Vertrauen zu, daß bei Ausführung
des Gesetzes eine entsprechende Mitwirkung der Einzelregierungen veranlaßt wird.
Der Großherzoglich oldenburgische substituirte Bevollmächtigte stimmte für
das Gesetz, jedoch nur unter der ausdrücklichen Voraussetzung, daß sich die zu
einer Verfassungsänderung erforderliche Majorität dafür finde. Auf den Antrag
des Vorsitzenden, Präsidenten Delbrück wurde ferner beschlossen, die Regierungen
derjenigen Staaten, in deren Gebiet Weinbau in größerem Umfange betrieben
wird, zu ersuchen, baldthunlichst dem Reichskanzler-Amt Weingutsbesitzer und
Fachgelehrte zu bezeichnen, welche für vorzugsweise geeignet erachtet werden, zu