Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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den im § 2 des Gesetzentwurfs bezeichneten Ermittelungen und Untersuchungen 
berufen zu werden. 
Ferner wurde auf Anregung des Vorsitzenden allseitiges Einverständnis 
darüber konstatirt, daß 1. die mit den Ermittelungen und Untersuchungen 
betrauten Organe, sofern sie, ohne Einwilligung des Verfügungsberechtigten, 
mit Weinreben bepflanzte Grundstücke betreten oder Rebstöcke entwurzeln wollen, 
die Mitwirkung der zuständigen Landesbehörden in Anspruch zu nehmen haben, 
2. Entwurzelungen nur in dringenden Fällen, bei voller Ueberzeugung der 
Notwendigkeit solcher Maßregeln vorgenommen werden dürfen. ) 
Schultheß' Europäischer Geschichtskalender bemerkt zu dem betreffenden 
Bundesratsbeschlusse: „Bayern erscheint in diesem Beschlusse zum erstenmal als 
majorisirt.“ Ob dies gerade der erste Fall der Majorisirung Bayerns war, 
könnte nur an der Hand der Bundesratsprotokolle konstatirt werden. Aber da 
Preußen bisher bereits wiederholt im Bundesrat überstimmt worden war, so 
konnte sich auch Bayern dieses Schicksal einmal gefallen lassen. 
Gesetz, betreffend Maßregeln gegen die Reblauskrankheit, vom 6. März 
1875 (Reichs-Gesetzbl. S. 175). 
Verbot der Einfuhr von Kartoffeln aus Amerika. Am 
15. Januar 1875 richtete Bismarck das nachstehende Schreiben 2) an den Bundesrat: 
„Seit einer Reihe von Jahren werden die Vereinigten Staaten Amerikas 
in Kartoffelbau treibenden Gegenden von dem Koloradokäfer (Doryphora decem- 
lineata) heimgesucht. 
Das Insekt, welches vermöge seiner erstaunlichen Fortpflanzungsfähigkeit 
binnen kurzer Zeit über weite Landstrecken sich verbreitet und die von ihm ein- 
genommenen Kartoffelfelder völlig verwüstet, hat in Amerika großartige Ver- 
heerungen angerichtet und seine nach Osten sich ziehenden Wanderungen bereits 
bis an die Küsten des Atlantischen Oceans erstreckt. 
Nach den bisherigen Erfahrungen ist die Vertilgung des Koloradokäfers außer- 
ordentlich schwer und überdies nur mit Mitteln zu erreichen, welche einerseits, 
  
1) Nach einer Notiz in der „Nat.-Ztg.“ Nr. 43 v. 9. 3. 75 wurden die Meinungs- 
verschiedenheiten über das Gesetz wesentlich durch eine Anregung des Präsidenten Delbrück 
gemildert, über welche man sich verständigte, daß nämlich die mit Vornahme der Unter- 
suchungen betrauten Organe, falls sie ohne Einwilligung der Eigentümer oder Pächter 
Weinland betreten oder Rebstöcke entwurzeln wollen, der Mitwirkung der zuständigen 
Landesbehörde bedürfen, und daß Entwurzelungen nur im Falle unabweisbarer Notwendigkeit 
vorgenommen werden dürfen. „Es kann sich indes dabei nur um eine Ausführungsverord- 
nung handeln, welche ein sachgemäßes Einvernehmen mit den Landesbehörden und einen 
schonenden Gebrauch der durch das Gesetz erteilten Befugnisse anempfiehlt. An sich aber 
ist die Ausübung der letzteren nach der vom Reichstage beschlossenen und vom Bundesrat 
schließlich angenommenen Fassung des Gesetzes keineswegs von einer Genehmigung der 
Landesbehörden abhängig.“ 
2) In Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnt.
	        
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