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Presse,!) erschienen. Der Ausschuß bejahte die von mehreren Regierungen auf-
geworfene Frage, ob es ratsam sei, ungeachtet der bevorstehenden Einführung eines
gemeinsamen Strafprozesses schon jetzt mit dem Erlaß eines Reichspreßgesetzes
vorzugehen, mit Rücksicht auf die Opportunitätsfrage. Dagegen lehnte er es ab,
durch Annahme des Vorschlages der Reichstagskommission, alle durch die Presse
begangenen und von Amtswegen zu verfolgenden Vergehen der Entscheidung
des Schwurgerichts unterzustellen, der künftigen Strafprozeßgebung in der hoch-
wichtigen Frage über Art und Umfang der Heranziehung des Loienelements
zur Aburteilung von Verbrechen und Vergehen vorzugreifen. Nach Erledigung
dieser Vorfragen verbreitete sich der Bericht über die Stellung des Ausschusses
zu den hauptsächlichen Prinzipienfragen bezüglich des Preßgesetzes: über die
durch den Entwurf beseitigten Kautionen, Konzessionsentziehungen und Be-
steuerungen der Presse, über Verantwortlichkeit für Preßdelikte, über die aufrecht-
erhaltene vorläufige Beschlagnahme, über die Abgabe von Pflichtexemplaren,
endlich über die Verpflichtung zur Aufnahme obrigkeitlicher Bekanntmachungen
und thatsächlicher Berichtigungen. Die Beseitigung der Kautionen und Kon-
zessionsentziehungen war im Ausschuß nicht ohne erhebliche Opposition durch-
gesetzt worden. Der Entwurf selbst enthielt nach den ihn vielfach modifizirenden
Ausschußanträgen 29 Paragraphen gegen die früheren 31. Im großen und
ganzen war der frühere Entwurf durch den Ausschuß nur redaktionell verändert
und schärfer gefaßt, die äußere Anordnung war aber unverändert beibehalten.2)
Der in dem früheren Entwurf vielfach angegriffene § 20 hatte jetzt folgende
Fassung: „Wer mittelst der Presse den Ungehorsam gegen das Gesetz oder die
Verletzung von Gesetzen als etwas Erlaubtes oder Verdienstliches darstellt, wird
mit Gefängnis oder Festungshaft bis zu zwei Jahren bestraft. Sind mildernde
1) In der Nr. 27 v. 1. 2.74 schrieb die „Nordd. Allg. Ztg.“: Bei der Hartnäckigkeit,
womit in der Presse daran festgehalten wird, von „dem Preßgesetzentwurf des Reichskanzlers“
zu reden, würde man versucht sein, eine Chikane zu vermuten, wenn nicht Blätter wie die
„Magdeb. Ztg.“, die solchen Verdacht ausschließen, dieselbe Ungenauigkeit enthielten. Der
richtige Sachverhalt muß aber in Erinnerung gebracht werden. Es bleibe dahingestellt,
wie es gekommen ist, daß der Reichskanzler keinen Preßgesetzentwurf in den Bundesrat
eingebracht hat, daß vielmehr ein Preßgesetzentwurf des Reichskanzlers in dem ersten
Stadium zurückgezogen worden ist. Der vielbesprochene Entwurf ist von dem preußischen
Staatsministerium und zwar zu einer Zeit, wo bekanntlich die Beziehungen des Reichs-
kanzlers zu demselben sich auf ein Minimum beschränkten, beschlossen und mit Ermächtigung
Sr. Majestät des Königs als Antrag Preußens in den Bundesrat gebracht worden. Hier
ist diesem Antrag der preußischen Regierung insoweit Folge gegeben, als Beratungen
darüber eröffnet wurden, die nach längerer Unterbrechung neuerdings wieder ausgenommen
sind und voraussichtlich dahin führen, daß der Bundesrat eine darauf bezügliche Vorlage
an den Reichstag bringt. Es handelt sich also durchaus nicht um einen „Preßgesetzentwurf
des Reichskanzlers.“
2) Das Nähere ist zu ersehen aus der „Nat.-Ztg.“ Nr. 42 v. 26. 1. 74 und der
„Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 23 v. 28. 1. 74, Nr. 47 v. 29. 1. 74, Nr. 87 v. 15. 4. 74.