Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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dem Reiche im Art. 45 der Reichsverfassung überwiesene Kontrolle der Eisen— 
bahntarife ersuchte das Reichs-Eisenbahn-Amt auf meine Veranlassung die Königlich 
württembergische und die Großherzoglich badische Regierung um Aeußerung über 
die teils ausgeführten, teils beabsichtigten Tarifmaßregeln; eine Antwort auf 
dieses Ersuchen ist seitens der ersteren unter dem 20. Januar d. J., seitens der 
letzteren aber bisher überhaupt nicht erteilt worden. Ich glaube mich der 
Zustimmung der hohen Bundesregierungen darüber versichert halten zu dürfen, 
daß eine allgemeine Tariferhöhung nicht durch eine vorübergehende Verminderung 
der Betriebsergebnisse, sondern nur durch eine dauernde und erhebliche, in der 
Verkehrssteigerung nicht genügenden Ersatz findende Erhöhung der Betriebs- 
ausgaben motivirt werden kann. Demgemäß habe ich das Reichs-Eisenbahn-Amt 
veranlaßt, die Betriebsergebnisse für 1873 und das Maß der einzelnen Aus- 
gabefaktoren zu ermitteln, gleichzeitig aber wegen einer mit Einführung des 
Markpfennigs unvermeidlichen Reform der Tarife unter verfassungsmäßiger 
Berücksichtigung solcher Transportartikel, welche erste und unentbehrliche Lebens- 
bedürfnisse sind, einzuleiten und nach dem Ergebnis eine Vorlage für den 
Bundesrat vorzubereiten."“ 
Das Schreiben schloß mit dem Antrage, die Tarifreform selbst bis zum 
Erscheinen der gedachten Vorlage zu vertagen. i) 
Der Bundesrat beschloß, den Anträgen des Eisenbahnausschusses entsprechend, 
unter Zustimmung Bayerns, Württembergs und Badens die Bundesregierungen 
einzuladen, die Beschlußfassung über die allgemeine Erhöhung des Eisenbahn- 
gütertarifs oder über entsprechende Aenderungen des Tarifsystems bis zum 
15. Mai auszusetzen. 
In einer an den Bundesrat gerichteten ferneren Vorlage vom 5. Mai 18742) 
erklärte der Reichskanzler, daß er, mit Rücksicht auf das im Reichs-Eisenbahn- 
Amt festgestellte Ergebnis der Betriebseinnahmen der Eisenbahnen während des 
vorigen Jahres, im Hinblick ferner auf die prekäre Lage des Privateisenbahn- 
baues glaube, seine bisher gegen die allgemeine Tariferhöhung im öffentlichen 
Interesse gehegten Bedenken nicht weiter festhalten zu sollen, und er gab daher 
dem Bundesrat anheim, zu beschließen: „daß vom Standpunkte des Reichs 
aus gegen eine mäßige, im Durchschnitt den Betrag von 20 Prozent jedenfalls 
1) Später legte Bismarck dem Bundesrat noch das Antwortschreiben des badischen 
Staatsministeriums vor, welches sich, wie das der württembergischen Regierung, für die 
Notwendigkeit einer Tariferhöhung aussprach. 
2) In Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnt. Vgl. über die Eisenbahntarifreform- 
Vorlage und die sie begleitende Denkschrift noch die „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 109 v. 12. 5.74, 
u. Nr. 114 v. 19. 5. 74, „Nat.-Ztg.“ Nr. 216 v. 11. 5. 74, Nr. 222 v. 15. 5. 74, 
Nr. 231 v. 21. 5. 74, Nr. 237 v. 24. 5. 74 (Nachtrag des Reichskanzlers zur Tarifvorlage) 
u. Nr. 245 v. 30. 5. 74.
	        
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