Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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beklagenswerte Haltung in der Frage des Anschlusses von Hamburg, die eine 
im wohlverstandenen Interesse Deutschlands wünschenswerte Maßregel zu hinter- 
treiben suchte — konnte Herr Dr. Delbrück unmöglich auf ein kollegiales Ent- 
gegenkommen des leitenden Staatsmannes rechnen. Fürst Bismarck hat weit 
mehr Recht, sich über die wenig kollegiale Art und Weise seines früheren Mit- 
arbeiters, des Herrn Dr. Delbrück zu beklagen, als dieser, an der Haltung 
Anstoß zu nehmen, die der Reichskanzler ihm gegenüber nunmehr angenommen 
hat. Wir glauben deshalb auch nicht, daß die „Weimarsche Ztg." die beabsichtigte 
Rückhaltung des Herrn Dr. Delbrück richtig interpretirt habe. Wir neigen viel- 
mehr zu der Ansicht, daß Herr Delbrück endlich erkannt hat, daß der Freihandel 
von dem gesunden und intelligenten Teil der Bevölkerung als ein überwundener 
Standpunkt beiseite geschoben ist, und daß er es andern überlassen will, den 
Rückzug der geschlagenen freihändlerischen Armee zu leiten, der in Bälde in 
völlige Auflösung ausarten muß. — Das wahre Prinzip des Manchestertums, 
wie Cobden es selbst ausgesprochen hat, lautet: „Unser einziges Bestreben ist, 
die Interessen Englands zu fördern ohne Rücksicht auf die Interessen anderer 
Nationen“ (Our sole aim is the just interest of England, regardless of 
the objects of other nations. Cobden 1835). Die deutschfeindliche Ten- 
denz dieses Prinzips ist leider zu lange verborgen gehalten worden. Nachdem 
sie bekannt und richtig gewürdigt worden ist, müssen die Freihändler auf die 
Hoffnung verzichten, in Deutschland noch fernerhin Proselyten für ihre deutsch- 
feindlichen Lehren zu machen. Herr Dr. Delbrück, dessen Ruhe und Kaltblütig- 
keit wir stets anerkannt haben, wird diese Sachlage richtig beurteilt haben, und 
dies dürfte den Entschluß bei ihm gereift haben, von der öffentlichen Bühne 
zurückzutreten. Es ist in seinem eigenen Interesse nur zu bedauern, daß er 
diesen Entschluß nicht bereits an dem Tage gefaßt hat, als er sich vom Reichs- 
kanzler trennte. Was Delbrück war und ungefähr noch ist, das ist er mit 
Bismarck und durch Bismarck geworden. Von Delbrück als Widersacher seines 
früheren Chefs wird wenig übrig bleiben — aber es ist nur weise von Herrn 
Delbrück, auch dies Wenige nun nicht um ein Atom mehr vergrößern zu wollen.“ 
Ich schließe mit der Mitteilung von vier Schreiben, welche Delbrück in 
Vertretung Bismarcks gezeichnet hat, und welche in Kohls Bismarck-Regesten 
nachzutragen sind: 
1. Verfügung des Bundeskanzler-Amts an den Mediko-Chirurg N. vom 
10. November 1869, betreffend die Führung des Titels Arzt, abgedruckt in den 
Drucksachen des Abgeordnetenhauses, Nr. 76 von 1870/71, Anl. C. 
2. Schreiben des Reichskanzlers an den Superior Mury, Vorsteher des 
katholischen Knabenseminars zu Straßburg, vom 17. Juni 1874, betreffend 
die Schließung der zu Straßburg unter dem Namen „Knabenseminar“ 
bestehenden Unterrichtsanstalt, abgedruckt in der „Norddeutschen Allgemeinen 
Zeitung“ Nr. 150 vom 1. Juni 1874.
	        
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