insbesondere in der englischen und französischen Presse, sind wir fast überall
einer gerechten Würdigung des verstorbenen Staatsmannes begegnet. Eine
Ausnahme macht nur die „Neue Freie Presse‘, welche in ihrem Nekrolog über
Herrn v. Bülow neben manchen anderen, von seltsamer Unkenntnis sehr be-
kannter Thatsachen zeugenden Angaben die Behauptung aufstellt, das Verhältnis
zwischen dem Staatssekretär und dem Reichskanzler habe sich in der letzten Zeit
und speziell seit dem Berliner Kongreß mehr und mehr getrübt. Die Gerechtig-
keit gegen den Toten wird wohl nicht allzu lange säumen, durch ausführlichere,
auf authentisches Material gestützte Darlegungen die völlige Grundlosigkeit dieser
Behauptung nachzuweisen. Nicht diese Pflicht der Gerechtigkeit, so sehr sie uns
am Herzen liegt, gibt uns jedoch heute schon die Feder in die Hand. Wir
halten aber die Einwurzelung der Legende für schädlich: Fürst Bismarck habe
in dem langjährigen, vertrautesten seiner Mitarbeiter schließlich auf dem Gebiete
der äußeren Politik einen Gegner gehabt. Deshalb säumen wir nicht, auf die
zuverlässigsten Informationen gestützt, zu erklären, daß diese Legende eine durch
nichts motivirte, willkürliche Erfindung ist. Mit keinem seiner Gehülfen hat
Fürst Bismarck sich so verstanden, mit keinem ist das Verhältnis vom ersten
bis zum letzten Tage von jedem Zwiespalt der Ansichten so absolut frei ge-
wesen, als mit dem ausgezeichneten Staatsmann, den der Reichskanzler noch
bei seinem letzten Aufenthalt in Berlin, nach der Rückkunft von Wien, auf dem
Krankenlager in Potsdam zu besuchen eilte. Ebenso gänzlich aus der Luft
gegriffen ist die weitere Behauptung der „Neuen Freien Presse“, der Staats-
sekretär sei ein Gegner intimer Beziehungen zu Oesterreich gewesen, eine Be-
hauptung, an welche das Wiener Blatt Variationen knüpft, die seiner Ein-
bildungskraft mehr Ehre machen, als seiner Vertrautheit mit der wirklichen
Sachlage. Die Wahrheit ist, daß nächst dem Fürsten Bismarck selbst auf
deutscher Seite seit Jahren keine andere Persönlichkeit so viel dazu beigetragen
hat, das Freundschaftsverhältnis mit der österreichisch-ungarischen Monarchie zu
pflegen und zu befestigen, als der Minister v. Bülow.“
Die „Provinzial-Korrespondenz“ gedachte des Dahingeschiedenen mit folgenden
Worten:
„Der Kaiser und das Deutsche Reich haben einen treuen und aus-
gezeichneten Diener verloren. Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Staats-
minister v. Bülow, ist am Montag den 20. Oktober zu Frankfurt a. M., auf
der Reise nach Cannes, im südlichen Frankreich, von einem Schlag getroffen
worden und den Folgen desselben an dem nämlichen Tage erlegen. Den ver-
storbenen Minister zeichneten eine seltene Arbeitskraft, ein edler, zuverlässiger
Charakter und eine vielseitige geistige Bildung aus. Dem Fürsten Reichskanzler
war er seit dem Jahre 1873, wo der Verstorbene den Posten des Staats-
sekretärs im Auswärtigen Amte antrat, ein bewährter Gehülfe. Die Liebens-
würdigkeit seines Umgangs haben die Vertreter der fremden Regierungen nicht