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gerichte und deren und der Verwaltungsbehörden Zuftändigkeit (1876) folgten.
Dagegen scheiterte die Abänderung der Städteordnung im Hause der Ab—
geordneten.
Hierbei, wie schon früher bei einigen Punkten der Kreisordnung, traten
prinzipielle Meinungsverschiedenheiten zwischen Eulenburg und Bismarck hervor,
welche ihr Verhältnis zu einander trübten, zumal letzterer auch mit der Art und
Weise, wie Eulenburg diese und andere Angelegenheiten der inneren Politik
behandelte, nicht zufrieden war. Immer aber blieb Eulenburg politisch wie
persönlich einer der treuesten Anhänger Bismarcks.
Ueberaus bezeichnend für Bismarcks Verhältnis zu Eulenburg ist nach-
folgender, zuerst in Hardens „Zukunft“" veröffentlichter Brief des ersteren:
Berlin, den 7. Februar 1872.
Verehrter Freund,
ich kann nicht umhin, Ihnen ehrlich mitzuteilen, daß Ihre Passivität bezüglich
der polnischen Verhältnisse mich im Bewußtsein meiner Verantwortlichkeit auch
für unsere inneren Verhältnisse bis an die Grenze der Linie bringt, innerhalb
deren meine ministerielle, ich kann nicht sagen Mitwirkung, aber Mitleidenschaft
für mich thunlich erscheint. Ich habe das Gefühl, daß auf dem Gebiete unserer
polnischen Provinzen der Boden unter uns, wenn er heute noch nicht auffällig
wankt, doch so unterhöhlt wird, daß er einbrechen kann, sobald sich auswärts
eine polnisch-katholisch-österreichische Politik entwickeln kann.
Wollen Sie mir in den Vorkehrungsmaßregeln, die ich gegenüber den in
jedem der nächsten Jahre möglichen Eventualitäten für unabweisbar notwendig
halte, nicht aktiver und selbstthätiger als bisher beistehen, so machen Sie mir
die Frage eines Personenwechsels in Ihrem oder meinem Ministerium zu einer
unabweislichen.
Ich kann mich mit theoretischen Erörterungen und Zugeständnissen auf
dem erwähnten Gebiete nicht beruhigen, sondern bedarf des praktischen Beweises,
daß Sie mit mir gegen die seit zehn Jahren prosperirende polnische Unter-
wühlung der Fundamente des preußischen Staates vorgehen.
Mein Antrag geht auf prinzipielle Ausweisung aller bei uns nicht heimat-
berechtigten Polen, vorbehaltlich der Ausnahmen, welche die Regierung in
Gnaden bewilligt. Die Passivität des mit dieser für die Sicherheit des Staates
so bedeutungsvollen Frage ressortmäßig betrauten Ministeriums nötigt mich,
meine petita in diese allgemeine und vielleicht unpraktische Form zu bringen.
Wenn ich einen Kollegen hätte, der seinerseits die Frage mit derselben an keinem
Tage nachlassenden Energie betriebe, welche von der polnischen Seite zur Unter-
grabung der Sicherheit Preußens seit vierundzwanzig Jahren entwickelt wird,
so würde ich gar nicht in die Versuchung kommen, den Details des Geschäftes
meine Aufmerksamkeit zu widmen.