Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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Aber ich habe das unbehagliche Gefühl, daß in Ihrem Ministerium die 
Frage bisher keiner prinzipiellen, aktiven, aggressiven Behandlung unterliegt, 
sondern die Thätigkeit des Staates sich auf die abwehrende Erledigung der 
einzelnen von hier oder aus dem Lande eingehenden Anregungen beschränkt. Ich 
habe das persönliche Bedürfnis, die Aufgaben, an denen wir nun bald zehn 
Jahre gemeinsam arbeiten, auch mit Ihnen, verehrter Freund, gemeinsam durch- 
zuführen, soweit unsere Kräfte reichen. Wenn Sie aber von den Ihrigen in 
der polnischen Frage keinen nachhaltigeren und freiwilligeren Gebrauch machen 
als bisher, so reichen meine Kräfte zur Durchführung des mir zufallenden 
Anteils nicht aus. 
Ich habe infolge der Ueberanstrengung, die für mich daraus erwächst, daß 
ich Ihnen und den anderen Kollegen nur in der Rolle des lästigen Bittstellers 
und Mahners näher treten kann, meine Nervenkräfte erschöpft, und ich kann 
mein Geschäft unter diesen Bedingungen nicht fortführen. Wir brauchen vier 
Ministerpräsidenten: für Se. Majestät, wo ich fühle, daß mein Einfluß schwindet, 
für die Kollegen, für das Parlament und für die auswärtigen Geschäfte. Ich 
habe dran gesetzt, was ich konnte, aber meine Kraft ist verbraucht, Sie haben 
die Ihrige geschont; wenn Sie jetzt nicht Ihre ersparten Ueberschüsse einsetzen, 
so liquidire ich. 
Ihr 
v. Bismarck. 
Der Schwerpunkt Eulenburgs lag in Preußen. Im Norddeutschen Bunde 
verlangte es ihn nicht nach der Stellung eines Bevollmächtigten zum Bundesrat, 
und im Deutschen Reich währte es fünf Jahre, bis er in diese hohe Körper- 
schaft eintrat. Seine Thätigkeit in derselben beschränkte sich im wesentlichen 
auf die Mitarbeit an den Abänderungen des Strafgesetzbuchs, welche damals 
zur Bekämpfung der Sozialdemokratie vorgeschlagen wurden. Zur Vertretung 
dieser Vorlage nahm er auch einmal im Reichstag das Wort, ohne daß es ihm 
indessen gelang, deren Annahme herbeizuführen. 1) 
Oberpräsident v. Möller:) 
(geboren 3. Juni 1814, gestorben 2. November 1880). 
Möller hatte sich in jungen Jahren ausgezeichnet als Kommissar der Cöln- 
Mindener Eisenbahn und der Rheinischen Eisenbahn (unter ihm wurde die 
1) Ein Schreiben des Ministers Friedrich Graf zu Eulenburg an Bismarck, d. d. Ham- 
burg, 22. Sept. 1865, betreffend schleswig-holsteinische Verhältnisse, findet sich abgedruckt 
in H. Kohls Bismarck-Jahrbuch Bd. III. S. 211 f., zwei Briefe Bismarcks an den Grafen 
Fr. Eulenburg, d. d. 5. Nov. 1868 und 26. Sept. 1869, im Bismarck-Jahrb. Bd. IV. 
S. 190 u. 191. 
2) Eduard v. Möller, geboren zu Minden, Gymnasialbesuch daselbst und in Bielefeld, 
Universitätsstudien in Heidelberg, 1840 Landrat in Simmern, 1843 Hilfsarbeiter im
	        
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