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erste stehende Eisenbahnbrücke über den Rhein erbaut) sowie als Regierungs-
präsident in Cöln. Bismarck lernte bereits damals seine vorzüglichen Eigen-
schaften kennen und betrieb dessen Ernennung zum Administrator des Kurfürsten-
tums Hessen. 1)
Am 6. September 1871 berief ihn Bismarck nach Straßburg an die
Stelle des Generalgouverneurs Grafen Bismarck-Bohlen. Kein Oberpräsident
in irgend einer der preußischen Provinzen hatte eine so schwierige Stellung.
Die beiden großen Parteien des Landes, die französische oder Protestpartei und
die klerikale, thaten alles, um eine geordnete Regierung unmöglich zu machen,
und während sie über die Diktatur schimpften und über die Ausschließung der
Bevölkerung von jeder Art von Volksvertretung klagten, suchten sie dieselbe von
der Beteiligung an den Wahlen durchaus fern zu halten. 2)
Die Quelle der späteren Unzufriedenheit des Herrn v. Möller lag vor-
wiegend in seiner nicht bloß bureaukratisch, sondern autokratisch angelegten
Natur. Er hatte sich seine Stellung als die eines Kaiserlichen Statthalters mit
möglichst wenigen Beschränkungen seiner Machtbefugnisse vorgestellt und erfuhr
nun je länger desto empfindlicher, daß er sich darin getäuscht habe. Die Ge-
staltung des staatsrechtlichen Verhältnisses des Reichslandes war es, die die
Erfüllung seiner Erwartung notwendig ausschloß.
Der Reichskanzler wurde der allein verantwortliche Leiter der Regierung
und konnte dieselbe nur von Berlin aus führen. Für alle auswärtigen Be-
ziehungen, die namentlich in den ersten Jahren bis zur völligen Auseinander-
setzung mit Frankreich im Vordergrunde standen, war dies außer Frage. Es
galt ebenso von den Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen, die für das Reich
erworben waren, für dessen Rechnung verwaltet wurden; ihre obere Leitung
lag dem Reichskanzler ob, der sich dazu des Reichskanzler-Amts und später der
Abteilung für Elsaß-Lothringen bediente, bis die Verwaltung an ein besonderes,
mit dem preußischen Arbeitsministerium verbundenes Amt überging. Die obere
Justizoerwaltung war von vornherein noch Organisation der Gerichtsbarkeit,
die unter Mitwirkung des preußischen Justizministers durch das Reichskanzler-
Amt bearbeitet wurde, dem Reichskanzler vorbehalten. Selbstverständlich auch
die Verwaltung der Militärangelegenheiten.
Dem Oberpräsidenten konnte daher bei der Einrichtung der Verwaltung
Ministerium des Innern, demnächst Staatskommissar bei der Cöln-Mindener Eisenbahn,
1848 Regierungspräsident mit dem Auftrag der Verwaltung des Oberpräsidiums der
Rbeinprovinz, 1849 Regierungspräsident in Cöln, 1866 erst Zivilgouverneur in Dresden,
dann Administrator des Kurfürstentums Hessen, 1871 bis 1879 Oberpräsident von Elsaß-=
Lothringen.
1) 13. Februar 1869 Möller bei Bismarck.
2) Wilhelm Müller: „Das Reichsland Elsaß-Lothringen 1871—1875“ in der Zeit-
schrift „Unsere Zeit“. Neue Folge, XII. Jahrgang I. Heft.