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präsidenten und dem Reichskanzler, sondern übte ihre Thätigkeit, wie das
Reichskanzler-Amt in seiner Gesamtheit, nur unter der Leitung und Verantwortung
des Kanzlers.
An diesem Verhältnis wurde auch nichts geändert, als nach dem Aus-
scheiden des Staatsministers Delbrück das Reichskanzler-Amt, das bisher unter dessen
Präsidium gestanden hatte, in seine einzelnen Abteilungen zerlegt und diese
besonderen Leitern unterstellt wurden. Auch diese handelten nur im Auftrag
oder in Vertretung des Reichskanzlers, dem nach wie vor die obere Leitung,
und die Verantwortung oblagen. In der geschäftlichen Behandlung trat nur
der Unterschied ein, daß, während früher in der Regel der Präsident des
Reichskanzler-Amts den Vortrag beim Reichskanzler in allen Angelegenheiten
des gesamten Amtes übernommen hatte, nunmehr die Leiter der aus letzterem
hervorgegangenen Aemter dazu berufen wurden.
Die rechtliche Stellung des Oberpräsidenten wurde dadurch nicht berührt.
Ihm gegenüber war die eingetretene Aenderung lediglich ein Personenwechsel
unter den Beamten des Reichskanzlers. Die Annahme, daß er durch die Aus-
gestaltung des Reichskanzler-Amts benachteiligt, oder daß ein ihm gegebenes
Versprechen nicht eingehalten worden sei, würde, wenn sie bestanden hat, irr-
tümlich sein.
In jeder der beiden Phasen hat der Reichskanzler die elsaß-lothringischen
Angelegenheiten unter spezielle Obhut genommen. Alle wichtigen Sachen wurden
ihm vorgelegt und nach seiner Bestimmung erledigt; auch die Erlasse wurden
von Bismarck demnächst in der Regel vollzogen. Davon würde die
Einsicht in die Akten des Oberpräsidiums wie des Reichskanzler-Amts beziehungs-
weise der Abteilung für Elsaß-Lothringen Ueberzeugung verschaffen. Von einer
„Beeinflussung“ des Reichskanzlers durch den Vortragenden konnte dabei keine
Rede sein. Der Vortragende hatte sich, wenn der Reichskanzler die Vorlage
nicht selbst gelesen hatte, auf eine durchaus objektive Darlegung des Sach-
verhalts zu beschränken und die getroffene Entscheidung unbedingt im Sinne
des Kanzlers auszuführen. Diskussionen über dieselbe waren ausgeschlossen.
Was das persönliche Verhältnis des Reichskanzlers zu Herrn v. Möller
anlangt, so weiß ich thatsächlich wenig zu berichten. Daß ihm die Person des
letzteren sympathisch gewesen, glaube ich nicht; der Eindruck, den die etwas
steife und von dem Schein des Hochmuts nicht freie Haltung des Ober-
präsidenten bei persönlicher Unterredung hinterlassen hatte, schien demselben nicht
günstig.
Ein persönlicher Konflikt zwischen Bismarck und Möller hat aber niemals
stattgefunden. Etwaiger Gereiztheit, die in Schriftstücken von seiten Möllers
gelegentlich zu Tage trat, wurde stets mit Höflichkeit begegnet.
Möller war ein Beamter von ungewöhnlicher Tüchtigkeit, den Kenntnisse
und Erfahrung zu seinem Amte in hohem Maße befähigten. Er verstand zu