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Gotha, den 22. April 1876.
An Frau Wanda v. Koethe.
„Demnächst will ich nach Berlin fahren und dort an der Plenarsitzung teil
nehmen, die am Donnerstag wegen der großen Justizgesetze stattfinden wird,
mich aber auch schon Mittwoch zu einer etwa für wünschenswert erachteten Vor-
besprechung unter uns Thüringern zur Verfügung stellen. Mir selbst erscheint
eine solche Vorbesprechung allerdings sehr wünschenswert, um uns, wenn
möglich, in allen unser gleichartiges Interesse berührenden Punkten zu einem
gemeinsamen Votum zu vereinigen, und thut es mir deshalb aufrichtig leid,
daß Gerstenberg nicht die Absicht hat, sich in Berlin einzufinden. Vielleicht
besinnt er sich aber doch noch eines Besseren."
8. Reuß ä. .
Regierungspräsident Faberti)
(geboren 1. Februar 1817).
Faber, ein Mann von zartem Gewissen und tiefreligiöser Gesinnung, hat
in der Politik einen föderalistisch-legitimistischen Standpunkt eingenommen und
vertreten. Nach den Bundesratsprotokollen hat derselbe nur zweimal an den
Sitzungen des Bundesrats teilgenommen, und zwar am 10. Mai 1875 und
18. Oktober 1876. In der übrigen Zeit ließ er sich vertreten durch den Ge-
heimen Regierungsrat v. Geldern-Crispendorf, Ministerialrat Dr. Neidhardt
und den Geheimen Legationsrat v. Prollius. Zu Bismarck ist derselbe in keine
nähere Beziehung getreten.
1) Albert Friedrich Wilhelm Faber ist geboren zu Hersfeld in Kurhessen als Sohn
des dortigen Gymnasialrektors Dr. Joh. W. Faber, besuchte das Gymnasium daselbst und
das Lyceum zu Kassel, legte auf letzterem die Reifeprüfung ab und studirte von Ostern
1835 bis in das Sommersemester 1839 Jurisprudenz zu Marburg und Göttingen, trat,
nachdem er das juristische Fakultäts= sowie das Staatsexamen bestanden, im Juli 1840
seinen Vorbereitungsdienst bei dem Justizamt Homberg an, ging im Dezember zur Ver-
waltung über und absolvirte den Vorbereitungsdienst bei dem Landrechtsamte zu Kassel,
ward am 27. April 1848 zum Kreissekretär, am 18. Januar 1849 zum zweiten Ver-
waltungsbeamten und am 4. September 1851 zum Landrat des Kreises Melsungen
ernannt, im Juni 1868 als Regierungsrat nach Königsberg i. P., im Oktober 1872 als
solcher nach Düsseldorf versetzt und im September 1874 als Regierungs= und Konsistorial-
präsident nach Greiz berufen. Bundesratsbevollmächtigter 8. Mai 1875 bis Ende Januar
1881. Zum Wirklichen Geheimen Rat ernannt am 1. März 1876, in den Ruhestand ver-
setzt am 1. Juli 1888.