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Besorgnisse über den möglichen Einfluß desselben auf die Landesfinanzen zu
entkräften seien. Es wurden zu dem Ende im Reichs-Eisenbahn-Amt die
nötigen Einleitungen getroffen.!)
Im Frühjahr 1876 bemühte sich das „Dresdener Journal“ in mehreren
Artikeln, das Publikum davon zu überzeugen, daß die Königlich sächsische Re—
gierung ebenfalls ein Reichs-Eisenbahngesetz wünsche, allerdings nicht auf der
Basis der beiden im Reichs-Eisenbahn-Amt aufgestellten Entwürfe. Es berief
sich zum Beweise ihrer Absichten unter anderem auf ein Schriftstück, welches
den sächsischen Kommissaren als Direktive für ihre Aeußerungen bei der Vor—
beratung zugestellt und verschiedenen deutschen Regierungen, unter anderen
auch, soviel bekannt, dem Königlich preußischen Handelsminister, vertraulich mit-
geteilt sei. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ war in der Lage, zu
bestätigen, daß die Existenz eines solchen Schriftstückes erst jetzt und zwar durch
die Presse zur Kenntnis der beteiligten Reichsbehörden gelangt sei. „Das Schrift-
stück ist jedenfalls insofern von Interesse, als dasselbe beweisen würde, wie sehr die
Auffassung der beiden Entwürfe über die im Interesse der Nation zu erstrebenden
Ziele eines Reichs-Eisenbahngesetzes von derjenigen in Dresden abweicht."“
Das Reichs-Eisenbahnprojekt. In Bezug hierauf wollte Bismarck
sich jeden Druckes auf den Bundesrat enthalten. (Herrenhausrede Bismarcks.
vom 18. Mai 1876.)2)
1) Ueber die kommissarischen Beratungen des Entwurfs eines Reichs-Eisenbahngesetzes
ogl. die „Nat.-Ztg.“ Nr. 125 vom 16. März 1875, Nr. 217 vom 13. Mai 1875, Nr. 259
vom 8. Juni 1875.
2) Die „Nordd. Allg. Ztg.“ schrieb darüber in Nr. 24 vom 29. Januar 1876: Fest steht,
daß die Beratungen des Staatsministeriums in dieser Angelegenheit wegen fortdauernden
Unwohlseins des Fürsten Bismarck noch nicht stattfinden können. Der Behauptung hiesiger
Blätter gegenüber, daß dem Finanzminister überhaupt amtlich noch keine Mitteilung über
das Projekt geworden, meldet das „Fremdenblatt“, daß seitens des Fürsten Bismarck eine
amtliche Mitteilung den Mitgliedern des Staatsministeriums bereits am 8. d. M. zugegangen,
als deren Konsequenz das von uns bereits erwähnte Memoire des Finanzministers zu
betrachten sein dürfte. Wie der „Weserztg.“ aus unterrichteten Kreisen mitgeteilt wird,
wird die preußische Regierung auf die bisher beabsichtigte Einbringung eines Antrags bei
dem Landtage wegen Ermächtigung zu Verhandlungen bezüglich der Abtretung der preußi-
schen Bahnen an das Reich verzichten. Die nächste Aufgabe der Beteiligten sei lediglich,
eine Verständigung über die Modalitäten der Ausführung des Projekts, d. h. über die Be-
dingungen für die Abtretung herbeizuführen. Es sei alsdann eine Frage der Taktik, ob
daß Resultat der bezüglichen Verhandlungen in erster Linie dem preußischen Landtage zur
Gutheißung vorgelegt, oder ob direkt die Zustimmung der gesetzgebenden Faktoren des Reichs,
vorbehaltlich derjenigen des preußischen Landtags, nachgesucht wird. Betreffs der Stellung
des Vizepräsidenten des Staatsministeriums zu der Angelegenheit bestätigt die „Weserztg.“,
daß derselbe in seiner Eigenschaft als Finanzminister dem Projekt nicht feindlich sei, indessen
Bedenken trage, für die politische und volkswirtschaftliche Seite desselben die Verantwortlich-
keit zu übernehmen. Von allen preußischen Ministerien seien übrigens, nach anderweitigen
Mitteilungen, in der Hauptsache zustimmende Vota bereits eingegangen.