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redaktioneller Natur zur Annahme. Wie man hörte, wurde in den Ausschüssen
bemängelt, daß die Ausführungsbestimmung im Verordnungswege nicht durch
den Reichskanzler, wie dies in allen Fällen bisher üblich gewesen, sondern durch
den Kaiser erfolge. Demgegenüber sei aber von der Majorität der Ausschüsse
hervorgehoben worden, daß einerseits in sachlicher Beziehung das verfassungs-
mäßige Recht des Bundesrats vollständig gewahrt sei, und daß andererseits bei
der Wichtigkeit des Gegenstandes sich eine gewisse erhöhte Solennität der Form
empfehle.
Bei der Plenarberatung im Bundesrat, wobei die Ausführungsverordnungen
mit einigen Aenderungen angenommen wurden, gab der bayerische Bevollmächtigte
der Annahme Ausdruck, daß durch den Bundesratsbeschluß der Frage nicht
vorgegriffen sei, wie sich die verfassungsmäßigen Befugnisse der Reichsbehörden
gegenüber dem selbständigen Eisenbahnwesen Bayerns zu gestalten haben werden,
und daß selbstredend auch die Heranziehung und Verwendung des dem bayerischen
Heere angehörigen dienstpflichtigen Personals deutscher Eisenbahnen Sache der
bayerischen Militärverwaltung bleibe. 1)
11. Reichsfinanzen.
Börsensteuer. Infolge der oben S. 243 mitgeteilten Beschlüsse des
Bundesrats vom 4. Juni 1875 nahmen am 19. September 1875 die Ausschuß-
beratungen über den Gesetzentwurf, betreffend die Besteuerung der Schluß-
noten 2c.,2) unter Teilnahme des bayerischen Ministerialrats v. Riedel und des
Senators Dr. Schröder aus Hamburg ihren Anfang. Die Beratung fand
1) Antrag des Reichskanzlers, betreffend die Aufhebung des Pferdeausfuhrverbots,
s. „Post“ Nr. 26 vom 1. Februar 1876; Meinungsverschiedenheit zwischen dem Reichskanzler-
Amt und der anhaltischen Regierung über die Verpflichtung der letzteren zur Gewährung
von Garnisoneinrichtungen „Nat.-Ztg.“ Nr. 67 vom 10. Februar 1876; Behandlung der
Reichstagsresolution wegen der militärischen Bauprogramme Nr. 93 vom 25. Februar 1876;
Bundesratsbeschluß, betreffend die Bauprogramme für militärische Bauten, „Nordd. Allg.
Ztg.“ Nr. 48 vom 26. Februar 1876; Verzicht des Bundesrats auf Befassung des Reichs-
tags mit dem Kasernirungsgesetz Nr. 37 vom 13. Februar 1876.
2) In betreff der Börsensteuer mag daran erinnert werden, daß dieselbe zuerst
im Reichstag für den Norddeutschen Bund im Jahre 1869 von dem preußischen Finanz-
minister von der Heydt vorgeschlagen wurde. Damals lehnte sie der Reichstag ab. Ein
zweiter Versuch mit derselben Steuer erfolgte 1873 auf Vorschlag der Spezialkommission,
welche sich mit Ersatz für die Aufhebung der Salzsteuer zu beschäftigen hatte. Dieser Vor-
schlag wurde vom Bundesrat zurückgewiesen. Jetzt nun war demselben jene letztgedachte
Vorlage ziemlich unverändert wieder unterbreitet worden. Danach war eine fünffache
Besteuerung von Börsengeschäften in Aussicht genommen und zwar: Schlußscheine und
Rechnungen mit 25 Pf., Lombarddarlehen mit ½ pro Mille, inländische Wertpapiere
½ Prozent und ausländische Wertpapiere ½ Prozent. Den Vorsitz im Ausschusse führte
der Seehandlungspräsident, Wirklicher Geheimer Rat Bitter.