Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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Koalition thatsächlich herausgetreten, und Bayern wird doch nicht auf sich kom- 
men lassen, daß es etwa am Schweife derselben einherziehe. So kommen wir 
denn fast auf die Vermutung: das sachliche Ziel, welches die bayerische Re- 
gierung nach ihrer Versicherung in dieser Angelegenheit allein verfolgt, ist das, 
an einem flagranten Falle die ganze politische Unmöglichkeit einer derartigen 
Moajorisirung klar zu stellen. Es ist berechnet worden, daß die dreißig Stimmen 
der Majorität eine Bevölkerungssumme von etwa zwölf Millionen repräsen- 
tiren, während hinter der Minderheit nicht weniger als neunundzwanzig Millionen 
Deutsche stehen. Wir können uns aber eine Kombination denken, in welcher 
auf Seiten der Mehrheit statt Bayerns etwa Baden und Hessen (wir haben 
selbstverständlich nur die Größe und Stimmenzahl dieser Staaten im Auge) 
und statt Sachsens Anhalt und die drei Hansestädte ständen. In diesem Falle 
würde Herr v. Mittnacht — an der Spitze von kaum sechs Millionen — Preußen, 
Bayern und Sachsen mit fünfunddreißig Millionen hinter sich Gesetze diktiren. 
Daß so etwas allenfalls auf dem Papiere stehen kann, aber gegen die Macht 
der wirklichen und geschichtlichen Kräfte einfach undurchführbar sein würde, 
unterliegt bei Verständigen gewiß keinem Zweifel. Wenn man sich dagegen auf 
die verfassungsmäßige Stimmverteilung im Bundesrate beruft, so erwidern wir 
darauf einfach: den Mittel= und Kleinstaaten ist eine Stimmenzahl ganz über 
das Verhältnis ihrer Größe und Bedeutung darum gegeben, damit sie daran 
eine Gewähr haben gegen die Gefahr, in ihren berechtigten Sonderinteressen 
durch den mächtigsten Staat des Reiches majorisirt zu werden — aber gewiß 
nicht, damit sie in einer Angelegenheit, bei welcher ein derartiges Sonderinteresse 
gar nicht in Frage kommen kann, ihrerseits den mächtigsten und führenden 
Staat majorisiren." 
Auf einen späteren Fall der Majorisirung der Präsidialmacht im Jahre 1894 
anspielend, 1) bemerkte der „Rheinische Courier“: „Es ist zu bedauern, daß über 
die Verhandlungen des Bundesrats keine amtlichen Mitteilungen gemacht werden, 
durch welche die Bildung staatsrechtlicher und politischer Legenden verhütet 
werden würde. Für den Ausländer, welchem die feine Bauart des deutschen 
Verfassungsstaates in ihren Einzelheiten nicht genau bekannt ist, wird es stets 
schwer verständlich sein, daß der Kaiser einen Beschluß des Bundesrats an den 
Reichstag zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung bringen muß, den er durch 
seine Bevollmächtigten, welche den preußischen Staat vertreten, im Bundesrate 
bekämpft hat. Bekanntlich hat dieser staatsrechtliche Zwiespalt dem Fürsten 
Bismarck einmal Veranlassung gegeben, sein Entlassungsgesuch einzureichen. 
  
1) Die Abstimmung des Bundesrats über den von der sächsischen Regierung ein- 
gebrachten Antrag auf Bestrafung der uneidlichen unwahren Zeugenaussagen vor Gericht 
hatte das Resultat, daß der sächsische Vorschlag gegen die preußischen Stimmen angenom- 
men wurde.
	        
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