Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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vor dem Richterstande der Praxis aber nicht Stich halten können. Der Kanzler 
hat allerdings als solcher dem Reichstag gegenüber keine Initiative. Die 
an denselben gelangenden Vorschläge gehen von den verbündeten Regierungen und 
von dem Bundesrat aus. Aber eben hier hat der Reichskanzler die aus— 
gedehnteste Initiative, einmal durch Stellung der sogenannten Präsidialanträge, 
und dann, wenn und solange er gleichzeitig preußischer Ministerpräsident ist, 
durch Herbeiführung von Anträgen Preußens im Bundesrat. So beruht, um 
nur ein einziges Beispiel anzuführen, die ganze Zolltarifreform auf der Initiative 
Bismarcks. Von einer Initiative des Bundesrats selbst kann man überhaupt 
nur in ganz seltenen Fällen reden. Von Haus aus ist der Bundesrat eine 
iners moles, die sich immer schieben läßt, heute vom Präsidium respektive 
Reichskanzler, morgen von einzelnen Bundesstaaten, übermorgen vom Reichstag. 
Aus dem Schoße des Bundesrats selbst kommen verhältnismäßig nur wenige 
Anregungen, und auch hier nur ausgehend von Ausschüssen des Bundesrats 
oder von Kommissionen, die derselbe niedergesetzt hat. 
In den ersten Tagen des Januar 1877 gab der Bundesrat seinem ersten 
Vorsitzenden ein Zeichen der Aufmerksamkeit. Der ehemalige Präsident des 
Reichskanzler-Amts, Staatsminister Delbrück wurde mit einem prachtvollen 
Album erfreut, das ihm die Mitglieder des Bundesrats mit ihren Photographien 
überreichten. Eine Deputation, bestehend aus dem bayerischen Gesandten Frei- 
herrn Pergler v. Perglas, dem württembergischen Gesandten Freiherrn v. Spitzem- 
berg, dem hanseatischen Ministeresidenten Dr. Krüger und dem Staatssekretär 
Dr. Friedberg, überbrachte die wertvolle Gabe als eine dankbare Erinnerung an 
die großen Verdienste, die sich Dr. Delbrück während seiner neunjährigen Lei- 
tung der Verhandlungen des Bundesrats erworben hatte. 
In diese Session fallen neue Reichstagswahlen (Januar 1877). Das 
Ergebnis derselben hatte in der Gesamtstärke der Parteien, welche einerseits die 
Reichspolitik unterstützten, andererseits dieselbe bekämpften, keine tiefgreifende 
Veränderung herbeigeführt. Die Zahlenstärke derjenigen Partein, welche im 
allgemeinen die Regierung zu unterstützen bereit sind, der konservativen und 
der nationalliberalen Partei, war in ihrer Gesamtheit fast dieselbe wie bisher 
geblieben, nur innerhalb derselben hatte eine Verschiebung der Zahlenverhältnisse 
stattgefunden: während die Konservativen von 22 auf 38, die freikonservativ- 
deutsche Reichspartei von 36 auf 40, mithin die konservativen Parteigruppen 
im ganzen von 58 auf 78 Stimmen gewachsen waren, war die national- 
liberale Partei mit den ihr verwandten Gruppen etwa um ebensoviel, von 170 
auf 146 herabgegangen. Die beiden Parteien vereinigt, gewährten der Re- 
gierung für die wesentlichsten Reichsinteressen auch ferner eine zuverlässige 
Mehrheit von 45 bis 50 Stimmen gegenüber allen übrigen Parteien. Die
	        
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