III. Abschnitt.
Aus der Werkstatt des Bundesrats.
1. Reichsgesetzgebung (Art. 4 und 5 der Verfassung).
Unterstützungswohnsitz. Ein von dem Reichskanzler dem Bundesrat
vorgelegter Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Abänderung und Ergänzung
des Gesetzes über den Unterstützungswohnsitz, brachte folgende Aenderungen in
Vorschlag: Die Paragraphen 10 und 22 des bisherigen Gesetzes verlangen für
den Erwerb des Unterstützungswohnsitzes zweijährigen ununterbrochenen Aufent-
halt; das neue Gesetz normirte die Dauer auf nur ein Jahr. Ebenso war das
Lebensalter, welches zur Erwerbung des Unterstützungswohnsitzes erforderlich ist,
vom 24. Jahr auf das 21. Jahr herabgesetzt. § 29 des Gesetzes bestimmt die
vorübergehende Unterstützung erkrankter Dienstboten, Gesellen u. s. w. Ein An-
spruch auf Erstattung der Kosten gegen einen andern Armenverband erwächst
nur, „wenn die Krankenpflege länger als sechs Monate fortgesetzt wurde“. Diese
Frist war in der Vorlage auf drei Monate herabgesetzt. Nach § 30 des Gesetzes
ist zur Erstattung der Kosten der Landarmenverband verpflichtet, wenn der
Unterstützte keinen Unterstützungswohnsitz hat. Die vorgeschlagene Aenderung
besagte: „wenn der Unterstützte keinen Unterstützungswohnsitz hat, oder wenn
ein solcher sich nicht ermitteln läßt, derjenige Landarmenverband, in dessen Bezirk
er sich bei dem Eintritt der Hilfsbedürftigkeit befand, oder, falls er im hilfs-
bedürftigen Zustande aus einer Straf-, Kranken-, Bewahr= oder Heilanstalt ent-
lassen wurde, derjenige Landarmenverband, aus welchem seine Einlieferung in
die Anstalt erfolgt ist.“ Die Art der öffentlichen Unterstützung, insbesondere
die Voraussetzungen zu bestimmen, unter denen die Unterstützung durch An-
weisung von Arbeit und Unterbringung in Arbeitshäusern gewährt werden kann,
überläßt das Gesetz der Landesgesetzgebung. Statt dessen wurde jetzt die Ein-
schiebung eines neuen Paragraphen empfohlen, welcher lautete: „Falls arbeits-
fähigen Personen oder deren nicht arbeitsfähigen Angehörigen öffentliche Unter-
stützung gewährt werden muß, können die ersteren seitens der Landesbehörde im
Wege des Verwaltungsstreitverfahrens zur Arbeit innerhalb oder außerhalb eines
Arbeitshauses angehalten werden.“