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vertreten, zu Reichssilber-, d. h. Scheidemünzen vorzugehen. Indessen nahm
man von diesem Antrage Abstand. Durch die Herabsetzung der Silberthaler
zu Reichssilbermünzen würde das Einströmen derselben in die Reichskassen und
der Bedarf an Reichsgoldmünzen erheblich gesteigert worden sein. Die Reichs-
regierung war aber zurzeit nicht in der Lage, die Goldvorräte zu Münzzwecken
zu vermehren.
Patentwesen. Der Bundesrat hatte sich, wie erinnerlich, über die
Frage, ob der Patentschutz überhaupt im Wege der Reichsgesetzgebung geordnet
werden soll, noch nicht schlüssig gemacht, vielmehr beschlossen, zur Klärung der
Frage ein Enqusteverfahren einzuleiten. 1) Dieser letztere Beschluß war das
Resultat sehr umfassender Beratungen gewesen, bei welchen die Meinungen sehr
auseinander gingen. Die Ansicht, es seien die Patente ganz aufzuheben, fand
von vielen Seiten energische Befürwortung. Der damalige Präsident des
Reichskanzler-Amts, Minister Delbrück neigte sehr zur Aufhebung der Patente,
doch blieb diese Ansicht schließlich in der Minorität, die Vertreter derselben
gaben sich aber der Erwartung hin, daß das eventuelle Resultat der Enquête
ihrer Ansicht zur Seite stehen würde.
An die Spitze der die Sachverständigen erwartenden Eröterungen wurde
die Frage gestellt, ob sich überhaupt ein gesetzlicher Schutz für Erfindungen
empfiehlt. Im übrigen erstreckte sich das Programm der Verhandlungen auf
alle für ein Reichs-Patentgesetz erheblichen Beziehungen: die Gegenstände des
Patentschutzes, Umfang, Dauer und Kosten des Schutzes, das Verfahren, um
den Schutz zu erlangen, die Organisation von Patentbehörden, sei es für das
Reich im ganzen, sei es für die einzelnen Bundesstaaten, die Frage, inwieweit
der geschützte Erfinder zu verpflichten ist, die Benutzung seiner Erfindung gegen
billige Vergütung allgemein zu gestatten, u. s. w.
Am 29. August 1876 begann vor dem Ausschuß des Bundesrats für
Handel und Verkehr die Vernehmung der Sachverständigen. 2)
In der Sitzung des Bundesrats vom 30. September 1876 wurde dem
Bundesrat das Ergebnis der Enquête vorgelegt. 3) Nach der fast einstimmigen
Ansicht der vernommenen Sachverständigen wurde die reichsgesetzliche Regelung
des Patentwesens im Interesse der deutschen Industrie für dringend erwünscht
angesehen. Daß die Bundesregierungen in der Mehhrzahl dieser Ansicht bei-
pflichten würden, erachtete das Reichskanzler-Amt für nicht zweifelhaft. Dasselbe
1) f. S. 219.
2) Aufzählung derselben s. „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 197 v. 24. 8. 76, „Nat.-Ztg.“
Nr. 359 v. 4. 8. 76, vgl. auch die „Prov. Korresp.“ Nr. 34 v. 23. 8. 76 und Nr. 37
v. 13. 9. 76.
3) Vgl. darüber die „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 203 v. 31. 8. 76, Nr. 215 v. 14. 9. 76,
Nr. 218 v. 17. 9. 76.