Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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des Bundesrats zuzustimmen, handelte es sich behufs Sicherung einer Mehrheit 
für die letzte Verständigung eben darum, einen Boden zu finden, auf welchem 
auch die nationalliberale Partei den Ausgleich annehmen konnte. Drei der 
bedeutendsten Führer dieser Partei, welche zugleich als Vertreter der verschiedenen 
Schattirungen derselben gelten, übernahmen das wichtige Vertrauenswerk und 
haben dasselbe erfolgreich und ehrenvoll durchgeführt. 1) Die höchsten Vertreter 
der Bundesregierungen kamen ihnen mit gleichem Streben für das Gelingen 
des nationalen Werkes entgegen: während einige der wichtigsten Bedenken des 
Bundesrats allerdings unbedingt aufrecht erhalten werden mußten, wurden 
einige andere schließlich aufgegeben, bei der Mehrzahl aber eine Verständigung 
über eine annehmbare Fassung erzielt. Die Ergebnisse der vertraulichen Ver- 
handlungen fanden die Zustimmung der gesamten nationalliberalen Partei. — 
und da die Konservativen alsbald ihre grundsätzliche Uebereinstimmung mit der 
erreichten Verständigung erklären konnten, so war damit das Gelingen der 
Vereinbarung gesichert."“ 
Der Bundesrat befaßte sich noch in zwei Sitzungen mit dem Kompromiß. 
In einer kurzen Plenarsitzung vom 22. Dezember 1876 trat derselbe den Be- 
schlüssen, welche der Reichstag am 21. Dezember gefaßt hatte, in allen Punkten 
einstimmig bei. Und in einer Plenarsitzung vom 23. Dezember 1876 unter 
Vorsitz des Justizministers Dr. Leonhardt wurde den Entwürfen eines Gerichts- 
verfassungsgesetzes, einer Zivilprozeßordnung, einer Strafprozeßordnung und einer 
Konkursordnung sowie der Einführungsgesetze dazu in der vom Reichstag an- 
genommenen Fassung die Zustimmung erteilt. 
Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 (Reichs-Gesetzbl. S. 41), 
Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 
(Reichs-Gesetzbl. S. 77), 
Zivilprozeßordnung vom 30. Januar 1877 (Reichs-Gesetzbl. S. 838), 
1) Ueber diese Verhandlungen brachte die „National-Zeitung“ folgende nähere Mit- 
teilung: „Nach dreitägigen aufopfernden Bemühungen sind die Abgeordneten v. Bennigsen, 
Lasker und Miquel dahin gelangt, mit dem preußischen Justizminister unter stetiger 
Verständigung des Reichskanzlers die Grundlagen eines Ausgleichs über die 
letzten Beschlüsse des Bundesrats festzustellen, welcher geeignet ist, die Justizgesetze zum 
Abschluß zu bringen. Die nationalliberale Fraktion hat sich heute nach Schluß der 
Reichstagssitzung in einer zweistündigen Beratung über diesen Ausgleich schlüssig gemacht 
und unter 128 anwesenden Mitgliedern mit 122 Stimmen für denselben ausgesprochen: 
nur vier Stimmen waren dagegen, zwei Mitglieder enthielten sich der Abstimmung. Außer- 
dem hatten von 26 abwesenden Mitgliedern fünf ausdrücklichen Auftrag gegeben, ihre 
Stimmen für die Vereinbarung zu zählen.“ — Die in verschiedene Zeitungen über- 
gegangene Mitteilung, daß der preußische Justizminister in den Verhandlungen mit den 
Reichstagsabgeordneten von Bennigsen, Dr. Lasker und Miquel über die Justizgesetze Zu- 
geständnisse wegen der Presse gemacht, welche der Reichskanzler zurückgenommen habe, 
wurde vom „Reichs= und Staatsanzeiger“ eines besonderen Dementis gewürdigt.
	        
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