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Staatsminister der Finanzen Berr schied infolge seiner Versetzung in den Ruhe-
stand aus dem Bundesrat aus.
Zu stellvertretenden Bevollmächtigten zum Bundesrat wurden ernannt: für
Preußen der Geheime Ober-Regierungsrat Körte, für Bayern der Ober-
Regierungsrat Freiherr v. Raesfeldt sowie der Regierungsrat im Ministerium des
Innern Herrmann und für Königreich Sachsen der Geheime Finanzrat Zenker.
In der Ernennung bezw. in der Wahl der Ausschüsse blieb alles un-
verändert beim alten.!:)
Fürst Bismarck führte den Vorsitz in der Sitzung des Bundesrats vom
21. Februar 1878, in welcher die ihn persönlich angehende Vorlage, betreffend
die Stellvertretung des Reichskanzlers, zur Beratung stand. Nachdem der Bis-
marck interessirende Teil der Tagesordnung erschöpft war, übergab derselbe den
Vorsitz dem bayerischen Minister v. Pfretzschner.
Seiner Eingenommenheit für die Institution des Bundesrats gab Bismarck
in der Reichstagsrede vom 5. März 1878 erneuten Ausdruck. „Ich halte den
Bundesrat" — bemerkte derselbe — „pfür eine bessere Einrichtung als ein
Reichs-Ministerium, und wenn er nicht bestände, so würde ich beantragen, ihn
einzuführen. Ich halte den Bundesrat für eine außerordentlich zweckmäßige
Einrichtung, sie macht unsere Gesetzgebung leichter und besser als ein Mini-
sterium und unterstützt sie durch ein großes Maß politischer Erfahrung aller
Einzelregierungen."
Das im Schlußprotokoll zum Versailler Vertrag in Art. 9 statuirte Recht
der bayerischen Regierung, daß ihr Vertreter im Falle der Verhinderung
Preußens den Vorsitz im Bundesrat führe, erkannte Bismarck in der Sitzung
des Reichstags vom 9. März 1878 auch nach Annnahme des Gesetzes über
die Stellvertretung des Reichskanzlers als fortbestehend an.
Man wird nicht irre gehen, wenn man behauptet, daß Bayern bei Auf-
nahme dieser Bestimmung in die Verträge die Tragweite derselben überschätzt
hat. Denn da sich der Kanzler nach der Verfassung durch jedes andere Mitglied
des Bundesrats im Vorsitz desselben vertreten lassen kann (Art. 15 Abs. 2
der Verfassung), so entfällt thatsächlich der Vorsitzim Bundesrat auf Bayern doch
nur dann, wenn ihm derselbe von Bismarck oder seinem General-Stellvertreter
aus Courtoisie überlassen wird. Ein Sachse oder Württemberger hat allerdings
niemals den Vorsitz im Bundesrat des Reichs geführt.
1) Die üblichen Referate über die Sitzungen des Bundesrats finden sich in der
„Nat.-Ztg“, Jahrg. 1877, Nr. 472, 477, 500, 515, 526, 538, 550, 558, 574, 586, 598,
606 und Jahrg. 1878, Nr. 13, 25, 36, 37, 39, 45, 57, 69, 83, 95, 113, 125, 135, 143,
147, 149, 151, 159, 169, 171, 177, 185, 198, 199, 207, 221, 232, 233, 243, 253, 262,
264, 267, 271, 272, 290, 296, 312, 314 sowie in der „Nordd. Allg. Ztg.“, Jahrg. 1877,
Nr. 237, 238, 253, 260, 266, 272, 278, 283, 290, 296 und Jahrg. 1878, Nr. 7, 8, 14,
20, 21, 29, 30, 34, 38, 44, 48, 50, 65, 74, 76, 81, 82, 87, 92, 95, 101, 102, 106,
114, 119, 120, 126, 132, 134, 135, 139, 146, 148, 150, 158, 159, 160, 173.