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Greisenalter die herrlichsten Schätze ihres Innern der Welt geoffenbart. Humboldt
schrieb in demselben Alter seinen Kosmos, Goethe seinen Divan, Sophokles die
Antigone. An dasselbe Alter streifte Haydn, als er seine „Jahreszeiten“ kom-
ponirte, und Tizian, als er seine Meisterwerke schuf. Bejahrte Staatsmänner zeichnen
gerade unsere Zeit aus, was neulich ein Wiener Blatt hervorhob. Fast alle
jene Männer, deren Reden und Thaten die Geschicke der jetzigen Generation
am eingreifendsten bestimmt haben, sind über das mittlere Lebensalter nicht
unbeträchtlich hinaus: so Bismarck, Gortschakow, Beaconsfield, ebenso Moltke
und Mac Mahon. Der Mann, der am meisten unter allen modernen Franzosen
auf der Weltbühne eine Rolle spielte, war der greise Thiers. Pio Nono hat
ein ungewöhnlich hohes Alter erreicht. Der Deutsche Kaiser, Mr. Gladstone,
Herr Deprelis, der zwei Jahre die Geschäfte Italiens geleitet hat, sind alle
längst mit dem Silberhaare des hohen Alters geschmückt. Man merkt übrigens,
fügt das Wiener Blatt hinzu, dem Gange der Ereignisse diesen Umstand nicht
an; zu keiner Zeit hat sich die Weltgeschichte in schnellerem oder in gleich
schnellem Tempo bewegt. Es ist, als ob das Alter jung geworden wäre; ist
die Jugend vielleicht auch alt geworden? Sprechen wir doch nicht von dem
alternden Bismarck in einer Zeit, wo die ganze Welt von alten Leuten regiert wird,
wie das Journal des Débats“ es thut, dessen Artikel wir übrigens durchweg
unterschreiben, wenn es Deutschland, weil es die Macht hat, auch die Pflicht
zuschreibt, an der Spitze Europas seine Macht zur Dämmung russischen Ueber-
muts und russischer Vergrößerungssucht geltend zu machen. Indem Fürst
Bismarck diese Pflicht nicht anerkennt, will er eben etwas anderes als Europa,
und er will das nicht aus Entschuldigung verdienender Altersschwäche, sondern
im Vollgefühl seiner männlichen Kraft. Es ist ein oft citirter Ausspruch
Heinrichs IV. von Frankreich: „Wäre ich Herr über Deutschland, so sollte in
Europa ohne meinen Willen kein Kanonenschuß fallen!“ Das war bielleicht
früher zu viel gesagt; seit 1870 hat es aber damit ohne Zweifel seine Richtigkeit.
Da nun der Kanonenschüsse mehr als zu viel im Jahre 1877 gefallen sind,
so muß man schließen, daß sie mit Deutschlands Bewilligung gelöst wurden.
Dagegen richten alle Friedensschalmeien nichts aus, die jetzt durch ganz Europa
in den verschiedensten Tonarten erschallen, und dafür die Erklärung in der
abnehmenden Geisteskraft des deutschen Staatsmannes zu suchen, dünkt uns so
einseitig, als wenn man den russischen jugendlichen Uebermut auf Conto der
achtzig Jahre des Fürsten Gortschakow setzen wollte.“
Die letzten zwanzig Jahre haben diesen Ausführungen recht gegeben. Es
gereicht nicht immer zum Vorteil der Welt, wenn die Greise von der Bühne
abtreten. Die Jugend kommt immer noch früh genug ans Ruder.