II. Abschnitt.
Der Rücktritt des Finanzministers Camphausen.
Länger als Delbrück hielt sich Camphausen 1) im Amte, es hätte ihm aber
mehr gefrommt, wenn er mit diesem das Feld geräumt hätte, denn auch zwischen
Bismarck und Camphausen stellten sich im Laufe der Jahre Gegensätze heraus,
die wohl noch zu verkleistern, aber nicht mehr zu überbrücken waren. Um klar
zu sehen, ist es auch hier nötig, sich die einzelnen Zweige der Staatsverwaltung
etwas näher anzusehen.
Beginnen wir 1. mit der handelspolitischen Frage. Im Herbst 1876
bildete den brennenden Punkt die Frage der Aufschiebung der Aushebung
der Eisenzölle. Hätte es dem Reichskanzler in der kritischen Zeit sein Ge-
sundheitszustand erlaubt, in Berlin anwesend zu sein, so würde die Angelegenheit
höchst wahrscheinlich eine den Wünschen der Industriellen entsprechende Wendung
genommen haben; das Mißgeschick aber war, daß der Kanzler damals in Varzin
weilte, und daß die Verhandlungen durch Zwischenpersonen geführt werden
mußten. Die Aufgabe der Vermittlung fiel dem Staatsminister Grafen Fritz
Eulenburg zu, der sich im Oktober 1876 nach Varzin begab, um dem Minister-
präsidenten über die Sache Vortrag zu erstatten. Im Staatsministerium neigten
Dr. Achenbach und Hofmann zu der Verlängerung der Zölle; Bismarck erklärte
sich teils aus wirtschaftlichen, teils aus politischen Gründen gleichfalls für diese
Maßregel, stieß aber hiermit bei dem Finanzminister Camphausen auf einen
entschiedenen und grundsätzlichen Widerstand. Der letztere war entschlossen, sein
Portefeuille niederzulegen, wenn seitens der Regierung irgend eine Geneigtheit,
darauf einzugehen, zu erkennen gegeben würde. Im übrigen war er Repressiv-
maßregeln gegenüber den Staaten mit höheren Tarifsätzen nicht abgeneigt. 2)
Eine Weile hatte es den Anschein, als müsse es darüber zu einem Konflikt
innerhalb der Regierung kommen; dem Grafen Eulenburg fiel noch einmal die
1) Vgl. Bd. I. S. 199 f.
2) Vgl. meine „Aktenstücke zur Wirtschaftspolitik des Fürsten Bismarck“ Bd. I.
S. 238.