Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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Aufgabe der Vermittlung zu. Bismarck ließ aber seinen Widerspruch endlich 
fallen, nicht aus Ueberzeugung von der Richtigkeit von Camphausens Auffassung, 
sondern weil ihm in diesem Augenblick eine Erschütterung des Bestandes des 
Ministeriums unerwünscht, auch zu langem Ueberlegen und Ueberreden keine 
Zeit war. Am 23. Oktober 1876 beschäftigte die Frage den Ministerrat, und 
hier gelang es noch einmal der klaren und überzeugungstreuen Darlegung 
Camphausens, allen Widerspruch zu beseitigen und zu dem einmütigen Beschluß 
zu führen: Seiner Majestät im Conseil von jedem Eingehen auf die Verlängerung 
der Eisenzölle abzuraten. So geschah es; die Minister waren am folgenden Tage 
im Conseil völlig übereinstimmend, und der Kaiser fügte sich nicht bloß dieser 
Einstimmigkeit, sondern auch den Gründen derselben. Die Sache war damit 
entschieden und sie konnte nur in andere Bahnen kommen, wenn der Reichstag 
sich dringend für die Verlängerung der Eisenzölle verwenden sollte, woran nach 
Lage der Verhältnisse nicht zu denken war. 
Trotz dieser festen Haltung Camphausens in Sachen der Eisenzölle war 
derselbe nach dem Abgang Delbrücks nicht mehr der Alte. Was keinem andern 
gelungen wäre, Bismarck brachte es zu stande, den Finanzminister mehr oder 
minder davon zu überzeugen, daß es in der allgemeinen Handelspolitik mit 
dem bisherigen System nicht weitergehen, daß Deutschland nicht bis ans Ende 
der Welt einseitige Freihandelspolitik treiben könne, daß man mit den realen 
Verhältnissen rechnen müsse und daß man die heimatliche Industrie nicht völlig 
schutzlos lassen dürfe. Bismarck verlangte in dieser Zeit anfangs noch lange 
kein förmliches Schutzzollsystem, er wollte nur nicht den isolirten Handelsstaat 
eines Philosophen, er wollte die goldene Mitte zwischen dem extravaganten 
Manchestertum und dem Prohibitivzoll, vor allem keine vollständige Vernichtung 
der zunächst beteiligten deutschen Eisenindustrie. Von Agrarzöllen war damals 
noch mit keinem Wort die Rede, auch beschränkte sich der Kanzler darauf, dem 
Ressortminister die allgemeinen Ziele seiner Reformpolitik anzudeuten; in Bezug 
auf die Frage, wie die Umkehr einzuleiten sei, wollte er demselben in keiner 
Weise vorgreifen oder gar Vorschriften machen. 
In einem Schreiben vom 13. Februar 18771) verlangte Bismarck schon 
bestimmt die Einführung von Schutzzöllen für die wichtigsten Erzeugnisse der 
deutschen Industrie. Camphausen sprach die Bereitwilligkeit aus, im Sinne 
Bismarcks legislatorisch vorzugehen; der Schritt, zu dem er sich entschloß, war 
allerdings kein großer, Bismarcks Zielen lange nicht entsprechend, es war aber 
doch immerhin etwas, wenn er Ausgleichungsabgaben eingeführt wissen wollte, 
um die Eisen= und Zuckerindustrie gegen das vom Auslande bewilligte System 
von Ausfuhrprämien (aquits à caution) zu schützen, und wenn er den Reichstag 
bat, in der Frage der Handelspolitik die nationale Seiten der deutschen Stellung 
1) Aktenstücke Bd. I. S. 247. 
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. III. 23
	        
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