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Am 24. Mai erfolgte die Ablehnung des Gesetzes, am 2. Juni der zweite
Mordversuch Nobilings, am 11. Juni die Auflösung des Reichstags.
Die liberale Presse hat dem Grafen Eulenburg zum Verdienst angerechnet,
daß er die demnächst vom Bundesrat beschlossene Auflösung nicht gewollt, viel-
mehr bekämpft habe. Wie dem auch sei, jedenfalls hat derselbe von dem Tage
an, wo die Auflösung des Reichstags beschlossen war, nicht gezögert, sich der
ihm dadurch erwachsenen Aufgaben redlich anzunehmen und namentlich durchaus
im Sinne des Staatsministeriums darlegen zu lassen, „warum der Reichstag
aufgelöst werden mußte". Es ist in aller Erinnerung, mit welcher Hingebung
und mit welchem Erfolge er damals die Wahlen leitete. Ebenso hat er in dem
neugewählten Reichstag nachdrücklich die Vorlage gegen die gemeingefährlichen
Bestrebungen der Sozialdemokratie vertreten. Nach ihrer Annahme #) fiel ihm die
Ueberwachung der Ausführung des Gesetzes als Vorsitzenden der Reichs-
kommission wie als Minister des Innern für Preußen zu, und nach seiner
Anweisung wurden die Mittel, welche das Gesetz gewährte, mit Ernst und
Entschiedenheit, nicht minder aber mit Umsicht und vollsfter Gerechtigkeit zur
Anwendung gebracht. Die den Absichten der Gesetzgeber vollständig entsprechende
Ausführung, die sich Graf Eulenburg angelegen sein ließ, hat später wesentlich
dazu beigetragen, daß der Reichstag die Dauer des Gesetzes verlängerte.
Graf Eulenburg entfaltete ferner vorzugsweise eine reiche, zuerst von Erfolg
gekrönte Thätigkeit in der Weiterführung der Verwaltungsreform, welche an
den vom Staatsministerium vor seinem Eintritt aufgestellten Arbeitsplan
anknüpfte. Diese Thätigkeit bewegte sich namentlich in drei Richtungen: der
Beseitigung der in der praktischen Ausführung der Verwaltungsgesetze zu Tage
getretenen Mängel, der weiteren Ausdehnung der Reform auf die neuen
Provinzen und des Aufbaues einer Organisation der Verwaltungsbehörden für
die ganze Monarchie. Als wesentliches Resultat seiner arbeitsreichen Amts-
führung ist das große Werk der Organisation der allgemeinen Landesverwaltung
zu verzeichnen, welches im Juli 1880 Gesetzkraft erhielt und die Grundlage des
späteren Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883
bildete. ·
Eine Ergänzung des Organisationsgesetzes sollte die Neuregelung der Zu—
ständigkeit der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte für die gesamte
Monarchie bilden, um die bisher erlassenen Gesetze mit jener Organisation in
Uebereinstimmung zu bringen. Hier gab es einen ernsten Konflikt des Fürsten
Bismarck mit dem Grafen Eulenburg, der zum Rücktritt des letzteren führte.
1) Nach Eugen Richter hat Bismarck aus Anlaß der Umänderungen des Sozialisten-
gesetzes durch den Reichstag denselben im Jahre 1878 ein zweitesmal auflösen wollen, und
er soll hierin von dem Grafen Botho Eulenburg bestärkt worden sein. Diese letztere Nach-
richt ist nicht richtig.