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geäußert, so daß man mehr oder minder auf Kombinationen angewiesen ist.
Graf Eulenburg hielt aber die Gründe seines Gesuchs für so entscheidend, daß
er sich zur Zurücknahme desselben selbst durch den ihm kundgegebenen Wunsch
des Kaisers nicht bestimmen ließ, und erhielt den erbetenen Abschied am
26. Februar.
Etwa ein halbes Jahr später erhielt Graf Eulenburg unerwartet von
seinem Amtsnachfolger, dem Minister von Puttkamer, die Anfrage, ob er
geneigt sei, das frei gewordene Oberpräsidium in Cassel zu übernehmen. Eulen—
burg erklärte seine Bereitwilligkeit erst, nachdem er sich versichert hatte, daß
diese Ernennung dem Fürsten Bismarck genehm sei. 1)
Das persönliche Verhältnis des Grafen Eulenburg zur Familie Bismarck
hat durch die Vorgänge im Februar 1881 keine Trübung erfahren. Den
Fürsten selbst aber sah Eulenburg erst am 26. Januar 1894 wieder, als der
Fürst zur Aussöhnung mit dem Kaiser nach Berlin gekommen war und
Eulenburg ihn im Königlichen Schlosse begrüßte.
Graf Eulenburg wurde im März 1892 zum Präsidenten des Staats-
ministeriums, im August zugleich zum zweitenmal zum Minister des Innern
ernannt 2) und schied im Oktober 1894 auf seinen Antrag wiederum aus dem
Staatsdienst.
Er hat dem Bundesrat von 1868 bis 1871 und mit einer kurzen Unter-
brechung von 1878 bis 1881 angehört. Den Schwerpunkt seiner Thätigkeit
bildete in der ersten Periode das Gesetz über den Unterstützungswohnsitz, in der
letzteren das Sozialistengesetz. Zuvor hatte er bereits als Regierungskommissar
an den Beratungen der Gesetzentwürfe über die Aufhebung des Paßzwangs
und der polizeilichen Beschränkungen der Eheschließungen mitgewirkt, und das
Reglement für die Wahlen zum ersten Norddeutschen Reichstag, die Grundlage
des Reichswahlgesetzes vom 31. Mai 1869, war von ihm verfaßt.
Als Graf Eulenburg im März 1892 das Ministerpräsidium übernahm,
beantworteten die „Hamburger Nachrichten“ in einem sichtlich von Friedrichsruh
aus inspizirten Artikel die Frage nach der politischen Konfession des neu
ernannten preußischen Premiers wie folgt: Nach den Antecedentien des Grafen
kam er um seinen Abschied ein. Fürst Bismarck beeilte sich, erst die formelle Seite der
Anstände zu beseitigen und dann auch materiell dem Minister des Innern die Brücke zum
Verbleiben im Amte zu bauen, indem er erklärte, daß er keine solche Dissiense im Staats-
ministerium kenne, die eine Veränderung im Schoße desselben notwendig machten. Graf
zu Eulenburg ging dennoch.“
1) Ueber die Vorgeschichte der Ernennung des Grafen Eulenburg zum Oberpräsidenten
von Hessen-Nassau (Mitwirkung des Grafen Bismarck) vgl. die „Post“ Nr. 226 und die
„Voss. Ztg.“ Nr. 383 v. 19. 8. 81.
2) „Das Ministerium Caprivi-Eulenburg“ von einem Nichtborussen. Berlin, W. 9,
Richard Eckstein Nachfolger.