Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

Minister die Beilegung des drohenden Konflikts wünschen müßten und nur von 
seiner (des Fürsten) Vermittlung hoffen könnten. Der Fürst öffnete die Thür 
eines angrenzenden Zimmers, in dem Graf Herbert wohnte, rief seinen Sohn 
und bat ihn, ihm als Schreiber zu dienen. Auf und ab schreitend diktirte er 
seinem Sohne, während Hobrecht, eine Cigarre nach der andern rauchend, zu- 
hörte, erfüllt mit staunender Bewunderung der schöpferischen Kraft und Leistungs- 
fähigkeit Bismarcks. 
Ein Uhr nachts war vorüber, als das fertige Schriftstück noch einmal 
durchgelesen wurde, Graf Herbert sagte gute Nacht, und der Fürst begann sofort 
über die Frage der Tabakbesteuerung zu sprechen. Der Bericht der Enquête- 
kommission mit umfangreichen Beilagen war, kürzlich gedruckt, vor ein paar 
Tagen in seine Hände gekommen. Mit dem Ergebnis war der Fürst äußerst 
unzufrieden; die Mehrzahl der Gutachten hielt er für gefärbt, die gefundenen 
Rechnungsresultate für falsch, die zur Lösung gemachten Vorschläge für un- 
brauchbar. Während der Finanzminister bis dahin geglaubt hatte, daß es dem 
Reichskanzler lediglich um den hohen Ertrag, ganz und gar nicht um die Form 
der Besteuerung zu thun sei, empfing derselbe jetzt zum erstenmal den Eindruck, 
daß ihm die Form des Monopols an sich entschieden wünschens= und erstrebens- 
wert erschien. Den Finanzminister hatten alle seine Untersuchungen zu der 
Ueberzeugung gebracht, daß das Monopol bei anständiger Erledigung der 
Entschädigungsfrage nicht viel bringen könne. Der Fürst brach die Unter- 
haltung ab, da er einen Teil der Berichte noch nicht gelesen, und schlug — im 
Anschluß an die Frage des Tabakzolls — eine Besprechung der zollpolitischen 
Frage im allgemeinen vor. Er war noch völlig frisch, obwohl zwei Uhr nach 
Mitternacht vorüber. Nun aber mußte der Minister Hobrecht streiken. Am 
frühesten Morgen, vor der Abreise, hatte derselbe in Berlin noch mehrere 
Sachen erledigen müssen; die Eisenbahnreise, die lange Waldfahrt, opulentes 
Mittagessen mit sehr viel mehr Wein, als er zu trinken gewohnt war, dann 
eine Kette schwerer Cigarren — sein Schlafbedürfnis war also verzeihlich, und 
er bat, das Bett aufsuchen zu dürfen, zumal er zeitig zur Jagd aufbrechen 
wollte, und der Schlitten des Oberförsters schon um sieben Uhr vor der Thür 
warten sollte. 
Es zeigte sich, daß schon alles im Hause schlief; der Fürst geleitete den 
Minister selbst die Treppe hinauf in das für ihn bestimmte Gemach und setzte, 
als dieser sein Licht auf den Tisch gestellt hatte, die begonnene Erörterung 
fort. Der Finanzminister begann sich auszukleiden und rückte einen Stuhl an 
eines der beiden Betten, die an der langen Wand standen. Da erst bemerkte 
derselbe, daß keines von beiden zum Schlafen aufgemacht war; über beiden 
hingen noch Bettdecken, und wie er die erste aufhob, zeigten sich bunte Ziechen 
— das Bett war nicht bezogen. Wahrscheinlich war also das andere für den 
Minister bestimmt; er hob die zweite Decke — dieselbe Geschichte! Auch so
	        
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