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„Ew. Hochwohlgeboren beehre ich mich in Veranlassung der unter dem
13. d. M. an den Herrn v. Blanckenburg gerichteten Anfrage zu benachrichtigen,
daß der Herr v. Roggenbach zu meinem Bedauern nicht wählbar zum Nord—
deutschen Reichstag ist. Ich habe dies, obschon es aus dem Wahlgesetz für
jedermann ersichtlich ist, auch auf eine dieserhalb aus Halberstadt an mich
gerichtete Anfrage bereits auf das bestimmteste ausgesprochen.
„Die Wahl des regierenden Grafen Otto zu Stolberg-Wernigerode wäre
der Königlichen Regierung eine besonders willkommene, und ermächtige ich
Ew. Hochwohlgeboren, von dieser meiner Erklärung jeden zweckdienlichen Gebrauch
zu machen.
v. Bismarck."
Und am 15. Mai 1872 erging aus Berlin an die Adresse des Ober-
präsidenten der Provinz Hannover Grafen zu Stolberg-Wernigerode das nach-
stehende Schreiben: 1)
„Ew. Erlaucht Schreiben vom 9. d. M., in welchem Sie mir den Ent-
schluß mitteilen, einstweilen noch in Ihrer amtlichen Stellung verbleiben zu
wollen, habe ich mit lebhafter Befriedigung empfangen.
„Es ist eine verdiente Anerkennung Ihrer amtlichen Thätigkeit, daß, wie
sich aus der Anlage ergibt, die Wünsche der von Ihnen verwalteten Provinz
sich mit denen des Staatsministeriums begegnen, und je schwieriger die Aufgabe
war, um so schwerer fällt auch der Dank in das Gewicht, der Ew. Erlaucht
von allen Seiten entgegengebracht wird.
v. Bismarck.“
Graf Stolberg muß als Oberpräsident in Hannover Bismarcks Vertrauen
ebenso gerechtfertigt haben, 2) als in der Stellung eines deutschen Botschafters in
Wien, 3) sonst würde er nicht auf Grund des § 2 des Stellvertretungsgesetzes
vom 20. März 1878 ihn dem Kaiser für seinen allgemeinen Stellvertreter
vorgeschlagen haben. 4) Am Tage, als das Stellvertretungsgesetz vom Kaiser
1) In Kohls Bismarck-Regesten gleichfalls unerwähnt.
2) In dieser Eigenschaft empfing ihn Bismarck am 13. Februar 1868. Ein Schreiben
Bismarcks an Stolberg, d. d. 2. Juli 1870, betreffend das Fehlerhafte einer einseitigen
Betonung des fiskalischen Interesses beim Ausbau der Eisenbahnen, s. in meinen „Aktenstücken
zur Wirtschaftspolitik des Fürsten Bismarck“ Bd. I. Nr. 94.
3) Ein Erlaß Bismarcks an den Botschafter Grafen zu Stolberg, d. d. 28. Juli 1877,
betreffend die kommerziellen Verhandlungen mit Oesterreich, findet sich abgedruckt a. a. O.
Nr. 141.
4) Nach der „Voss. Ztg.“ Nr. 68 v. 21. 3. 78 wurde Stolberg sogar als der mut-
maßliche Nachfolger Bismarcks bezeichnet. „Geburt, allgemeine Fähigkeiten, Jugenderziehung,
militärischer, parlamentarischer und administrativer Dienst, zuletzt noch eine diplomatische
Probe haben ihn zu einer solchen Nachfolgerschaft gewissermaßen prädestinirt, und wenn er
nun, nachdem er das vierzigste Lebensjahr zurückgelegt hat, noch Gelegenheit zur Einübung