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unmittelbar Vortrag halten lassen mußte. Dazu kamen die vielen wichtigen poli—
tischen Angelegenheiten. Bei den Ministerien in Berlin fand er zuerst wenig
Verständnis und Unterstützung, und er mußte sie in ganz wichtigen Fragen bei
dem Ministerpräsidenten Grafen Bismarck suchen, der sie ihm in vollem Maß ge-
währte. In den letzteren Jahren kam jedoch kaum ein Fall vor, wo seine
Vorschläge nicht berücksichtigt wurden.
Bei den Wahlen zum ersten Deutschen Reichstage erhielt er das Mandat
Melle-Diepholz, und er war der erste Altpreuße, der in Hannover gewählt
wurde; später vertauschte er es mit Goslar-Clausthal, das er bis 1878 bei-
behielt. Er begründete im Reichstag mit anderen die deutsche Reichspartei,
indem er lebhaft dafür eintrat, sich nicht mit den bisherigen Freikonservativen
völlig zu identifiziren.
Im Lauf der Zeit gewann er das Gefühl, daß seine Aufgabe in Hannover
erfüllt sei. Die Verwaltung war geregelt und die Gemüter nach Möglichkeit
beruhigt. Es bedurfte also nur einer ruhigen Fortarbeit auf der gegebenen
Grundlage. Als seine Absicht bekannt wurde, erhob sich durch die ganze Provinz
ein großer Petitionssturm mit der dringenden Bitte, sein Amt fortzuführen. Er
entschloß sich zum Bleiben, als ihm auch Fürst Bismarck einen diesbezüglichen
Wunsch aussprach. Den Abschied nahm er erst, als er zum Präsidenten des
Herrenhauses gewählt wurde, weil er einsah, daß beide Aemter schlecht vereinbar
seien. Im Herrenhaus erlebte er die Kämpfe um den Entwurf einer Kreis-
ordnung, er teilte aber nicht die Ansicht der konservativen Partei, war auch
Gegner des darauffolgenden Pairs-Schubs. 1876 wurde er zum Vorsitzenden
des Provinziallandtages in Merseburg gewählt, auch zum Vorsitzenden des
Provinzialausschusses. 1875 wählte ihn die Generalsynode in Berlin zum
Präsidenten.
1878 wurde er zum Stellvertreter des Reichskanzlers und Minister-
präsidenten ernannt. Er nahm die Stellung sehr ungern an, weil er sich nicht
für geeignet hielt.
Nach dem zweiten Attentat auf den Kaiser stimmte er dem Vorschlag
Bismarcks auf Auflösung des Reichstags bei. Er leitete dann die Beratung
des Sozialistengesetzes mit den Worten ein, daß die Regierung wohl wisse, daß
es mit einem solchen Gesetz allein nicht gethan sei, daß es vielmehr noch ganz
anderer, auch auf ethischem Gebiet sich bewegender Anstrengungen bedürfe, um
einen andern Geist zu verbreiten, daß man aber zunächst scharfer Waffen
bedürfe, um den Ausschreitungen entgegenzutreten und die Bevölkerung vor ihren
Verführern zu schützen.
Der Absicht Bismarcks, das alte Unfallgesetz umzugestalten, konnte
er nur beistimmen. Er führte aber aus, daß, wenn man auf diesem
Gebiet reformiren wolle, es besser wäre, mit den nächstliegenden Dingen und
namentlich mit einer Krankenversicherung rc. der Arbeiter anzufangen, die nach
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. III. 26