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ließ sich von den ihm erteilten Instruktionen nur tragen, ohne Ehrgeiz, dieselben
nach seinem Wunsch zu gestalten. Auch fehlte ihm die Rednergabe, so daß er
weder im Bundesrat noch im Reichstag sich Geltung verschaffen konnte.
Immerhin war Rudhart noch geschulter als Perglas, und man hat nicht
gehört, daß Bismarck seinen Abgang von Berlin erstrebte, bevor die unglückliche
Hamburger Zollanschlußdifferenz eintrat. Die Hauptfragen, welche den Bundesrat
beim Eintritt Rudharts in denselben beschäftigten, waren die wirtschaftlichen,
die Umgestaltung des Zolltarifs einschließlich der Steuerreform. Rudhart war
wohl wie die Mehrzahl der bayerischen Beamten der älteren Schucle, soweit sie
nicht eigene Anschauungen sich hatten bilden können, von Hause aus Frei-
händler; er maßte sich aber nicht an, hier eigene Politik treiben zu wollen,
vielmehr entledigte er sich gewissenhaft der ihm auf diesem Gebiete von München
aus zugegangenen Instruktionen; diese waren als gemäßigt schutzzöllnerisch zu
bezeichnen, wenn sie auch nicht so weit gingen, als Bismarck gewünscht hätte.
So erinnere ich mich noch genau eines Gesprächs, das Bismarck im Sommer
1879 bei Tische in Kissingen mit mir führte, wo er, nach einem Hinweis auf
den Waldreichtum Bayerns, es beklagend konstatirte, daß die bayerische Re-
gierung in Bezug auf den Holzzoll nicht so weit gegangen sei, als er es für
wünschenswert erachtet hatte.
Das gesellschaftliche Verhältnis zwischen Bismarck und Rudhart ließ bis
1880 nichts zu wünschen übrig; es wurde ihm erleichtert durch Frau von
Rudhart, 1) welche auch mit der Fürstin Bismarck auf gutem Fuße stand.
Die Wirksamkeit Rudharts im Bundesrat dauerte nur drei Jahre. Es
wurde derselben ein jähes Ende bereitet durch seine Haltung in der Hamburger
Zollanschlußfrage. Der Hergang ist kurz folgender: Der von Bismarck am
19. April 1880 in den Bundesrat eingebrachte Antrag Preußens, betreffend die
Einverleibung der Stadt Altona und eines Teiles der Hamburgischen Vorstadt
St. Pauli in das Zollgebiet, hatte den Senat von Hamburg veranlaßt, einen
Gegenantrag zu stellen, welcher bezweckte, die von Bismarck beantragte Maßregel
ohne Hamburgs Zustimmung als unzulässig zu erklären. Hamburg legte Wert
darauf, seinen Antrag zunächst von dem Bundesratsausschusse für die Verfassung
geprüft zu sehen, weil es hoffte, in der Rechtsfrage recht zu bekommen und
dadurch für die Verwaltungsfrage gewissermaßen eine Reservatstellung zu ge-
winnen. Am Schlusse der Bundesratssitzung bildete die geschäftliche Behandlung
des Antrags Hamburgs den Gegenstand einer rein privaten Aussprache unter
den im Sitzungszimmer zurückgebliebenen Bundesratsbevollmächtigten. Die ge-
dachte Sitzung hatte übrigens, da der Reichstag versammelt war, in den Räumen
1) Rudhart vermählte sich am 12. Sept. 1877 mit Frau Viktorine v. Putzlacher,
geb. v. Bosari, Witwe des in der Schlacht von Solferino gefallenen k. k. österreichischen
Hauptmanns Gustav Edler v. Putzlacher.