Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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des Reichstagsgebäudes in der Leipzigerstraße stattgefunden. Bei dieser ver- 
traulichen Vorbesprechung ließ der bayerische Gesandte v. Rudhart die Aeußerung 
fallen, daß seiner Ansicht nach der Antrag Hamburgs allerdings an den Ver- 
fassungsausschuß zu verweisen und bis zur Erledigung in demselben die Beratung 
der Verfassungsfrage zu vertagen sei.!) 
Wenn nun schon der oben bezeichnete Schachzug Hamburgs den Kanzler 
unangenehm berührte, so wuchs sein Unmut, als er vernahm, daß der bayerische 
Gesandte v. Rudhart nach der Bundesratssitzung vom 3. Mai 1880 erklärt habe, 
er werde wegen des Hamburger Antrags Instruktion einholen, stimme aber 
nach seiner Privatansicht mit der Hamburger Auffassung überein.?) Ob dieser 
Haltung mußte er, als der Kanzler ihn am 4. Mai 1880 5) auf seiner parla- 
mentarischen Soirée zu Gesicht bekam, in Gegenwart der ganzen Gesellschaft 
harte Worte hören. Er werde sich — bemerkte Bismarck — über den Gesandten 
bei dessen Regierung beschweren, weil er gegen deren Intentionen, die ihm, 
dem Reichskanzler, wohlbekannt seien, gestimmt habe, was ihm unzulässig und 
unerlaubt erscheine. Fürst Bismarck sprach sogar von einer „Konspiration"“ 
mit Römlingen, den Hamburger Juden und Fortschrittlern. Herr v. Rudhart 
erwiderte auf die unerwartete Anrede des Reichskanzlers nur wenige Worte, 
ungefähr, daß der Fürst über die Thatsachen falsch berichtet sein müsse. Daß 
1) In der Presse wurde das Verhältnis nicht richtig geschildert. So wurde z. B. der 
„Augsb. Abendztg.“ von einem gut unterrichteten Münchner Korrespondenten das folgende 
mitgeteilt: „Wie wir erfahren, beruht die Zur-Dispositionsstellung des Herrn v. Rudbart 
auf einem Versehen desselben, welches freilich besser nicht gemacht worden wäre. Es ist 
nämlich nicht richtig, daß Herr v. Rudhart in dem dritten Ausschuß des Bundesrats 
gegen den Antrag Preußens gestimmt hat, sondern derselbe hat einem von dritter Seite 
gestellten Antrag auf Vertagung der Sache zum Zwecke der Beratung einer Vorfrage zu- 
gestimmt. Diese Vorfrage soll allerdings dahin gestellt gewesen sein, ob zur Prüfung des 
Hauptantrages bezüglich der Zollgrenzen auf der Unterelbe der dritte und vierte Ausschuß 
des Bundesrats für Zölle und Handel oder der Verfassungsausschuß zuständig sei. Da 
Herr v. Rudhart, wie man erzählt, von der Intention seiner Landesregierung noch keine 
sichere Kenntnis gehabt hat, indessen wußte, daß der Reichskanzler und die preußische 
Regierung den allergrößten Wert darauf legen, den Gegenstand nicht zu einem Verfassungs- 
konflikt anschwellen zu lassen, sondern im Wege praktischer Zollanordnungen zu erledigen, 
war es unvorsichtig, diesem Vertagungsantrag zuzustimmen, da aus dieser Zustimmung sich 
leicht der Schluß ableiten ließ, daß auch bayerischerseits Neigung bestehe, den Art. 34 der 
Reichsverfassung im Sinne des Hamburgischen Antrages zur Grundlage der weiteren Be- 
ratungen zu machen. Weniger indessen als die Abstimmung soll die Motivirung seines 
Votums gegen Herrn von Rudhart aufgebracht haben, welche den Anschauungen in München 
an maßgebender Stelle durchaus widersprach.“ 
2) Zu vergl. die „Vossische Ztg.“ Nr. 132 v. 12. 5. 80, Nr. 135 v. 15. 5. 80, 
Nr. 138 v. 19. 5. 80, die „Post“ Nr. 123, 125, 132, 136 u. „Magdeburger Ztg.“ Nr. 222 
v. 15. 5. 80. 
3) Kohl läßt in seinen Bismarck-Regesten den Konflikt mit Rudhart irrtümlicher- 
weise in der parlamentarischen Soirée vom 8. Mai 1880 stattfinden.
	        
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