Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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Ueber die weiteren Folgen des Konfliktes ist noch folgendes zu bemerken: 
An dem der parlamentarischen Soirée folgenden Morgen (5. Mai) ließ 
der bayerische Gesandte v. Rudhart in aller Frühe die sämtlichen in Berlin 
wohnenden bayerischen Bevollmächtigten zum Bundesrat, nämlich den bayerischen 
Obersten Ritter v. Aylander, den Regierungsrat Herrmann, den Ober-Regierungsrat 
Freiherrn v. Raesfeldt und den Ober-Zollrat Schmidtkonz bitten, sich bei ihm 
in der bayerischen Gesandtschaft einzufinden. Als dieselben erschienen waren, 
Gesandten, der sich als Gast im Hause des Kanzlers befand, gerade bei dieser Gelegenheit 
und ziemlich laut ausgesprochen wurde, kann wohl schwerlich gebilligt werden, ist indessen 
dadurch begreiflich, daß die Nachrichten über die Intentionen der bayerischen Regierung am 
Morgen desselben Tages eingetroffen sein sollen, am Nachmittag die Abstimmung im 
Bundesrat stattfand und der Reichskanzler daher am Abend desselben Tages noch im 
Zustand der ersten Aufregung gehandelt haben mag. Es versteht sich von selbst, daß 
gerade die Form, in welcher der Bruch erfolgt, jede Verständigung erschwert, so sehr sie 
von allen Seiten, vielleicht auch vom Reichskanzler selbst, gewünscht werden mag. Herr 
v. Rudhart gilt nämlich für eine ebenso liebenswürdige Persönlichkeit als für einen vor- 
sichtigen Staatsmann und wird auf dem Berliner Posten, der wenig Rosen und viele 
Dornen bringt, schwer zu ersetzen sein. Dort ist die Aufgabe um deswillen schwierig, weil 
die ermüdenden Tagesgeschäfte außerordentliche Sachkenntnis in fast allen Gebieten des 
Staatslebens für den Stimmführer Bayerns voraussetzen und freundliche Beziehungen 
zwischen den Vertretern aller Partikularstaaten neben einem guten Verhältnis zur Reichs- 
regierung Bedingung eines gedeihlichen Wirkens sind. — Die „Süddeutsche Presse“ be- 
hauptete, daß zwischen dem König Ludwig und dem Fürsten Bismarck eine direkte Korrespondenz 
über wichtige Angelegenheiten stattfinde. Wahrscheinlich war dies auch diesmal der Fall 
gewesen. Fürst Bismarck hatte sich der Zustimmung des Königs versichert, ohne daß Herr 
v. Rudhart davon die geringste Kenntnis hatte. Der Umstand, daß er sich, wenn auch 
nur für seine Person, in einer Weise aussprach, welche von der gemeinsamen Anschauung 
seines Königs und des Kanzlers abwich, hatte dann den lebhaften Unmut des letzteren 
erregt. — Der „Pfälzischen Presse“ wurden über die Affaire folgende angeblich von Herrn 
v. Rudhart selbst erzählte Einzelheiten mitgeteilt. Der König von Bayern hatte die 
Anschauungen Bismarcks in Sachen der Hamburger Angelegenheiten vollständig geteilt und 
der Reichskanzler dies gewußt, hiernach auf Zustimmung Bayerns für die Vorlage im 
Bundesrate mit Bestimmtheit gerechnet. Da erhielt Herr v. Rudhart per Telegraph die 
ministerielle Weisung, gegen die Vorlage zu stimmen. Und es geschah also, obwohl Herr 
v. Rudhart über den Befehl, der den Ansichten Sr. Majestät zuwiderlief, ebenso erstaunt 
war wie Bismarck über die bayerische Abstimmung. Es stellte sich denn auch nachträglich 
heraus, daß mit der Depesche ein unglücklicher Irrtum unterlaufen war. Der Reichskanzler 
glaubte natürlich, der bayerische Gesandte handle aus eigener Initiative und entgegen den 
ausdrücklichen Weisungen des Königs von Bayern. Daher der unfreundliche Empfang. 
Herr v. Rudhart meinte nun, die Sache sei an sich sehr unbedeutend und nur unsere 
sensationslustigen Journalisten und besonders die Oppositionsblätter hätten der Sache eine 
Wichtigkeit beigelegt, die sie absolut nicht habe. Er könne nur den Herren, die Bismarck 
immer etwas am Zeuge flicken wollen, zu bedenken geben, daß es ohne diesen genialen 
Staatsmann einfach nicht gehe. Der Reichskanzler soll u. a. gesagt haben: „Wenn mir 
der Rudhart am nächsten Morgen einen saugroben Brief geschrieben hätte, so wäre das 
gescheiter von ihm gewesen, als sich gleich Urlaub geben zu lassen.“
	        
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