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demselben in seiner jetzigen Zusammenstellung eine Vereinbarung über die von
ihm für notwendig erachtete Aenderung der bestehenden Gesetzgebung nicht zu
erlangen sein werde, möchte vielmehr glauben, daß er hofft, durch die neuen
Wahlen zu einer seinen Wünschen im allgemeinen mehr entsprechenden Grup-
pirung der Parteien zu gelangen. Jedenfalls würde ich es begreiflich finden,
wenn es ihm seiner ganzen Natur nach widerstrebt und mit der Zeit geradehin
unerträglich wird, mit einer Partei zu regieren, die den Anspruch erhebt, daß
er keine Vorlage einbringe, ohne zuvor Fühlung mit ihr genommen zu haben,
und schon darin allein, daß dies nicht geschehen, genügenden Grund findet, zu
nörgeln und ihm Opposition zu machen. Ob seine Hoffnung sich erfüllen wird,
steht freilich dahin; bei der hochgradigen Erbitterung, die infolge der schmach-
vollen Attentate jetzt alle besseren Schichten der Bevölkerung durchdringt, scheinen
mir die Chancen indes doch so günstig wie möglich zu stehen.!1) Meinerseits
wünsche ich es aufrichtig, denn der jetzige Zustand der Zerfahrenheit muß bei
längerer Fortdauer notwendig lähmend auf die ganze Regierungsmaschine ein-
wirken, und überdies sind auch meine persönlichen Sympathien für die National-
liberalen durch die letzten Debatten über die Steuerfrage und das Sozialisten-
gesetz bedeutend abgeschwächt worden."“
5. Schwarzburg-Sondershausen.
Staatsminister Freiherr v. Berlepsch?)
(geboren 30. März 1843).
Die Wirksamkeit desselben im Bundesrat war die des Vertreters eines
der kleinsten deutschen Bundesstaaten, also von Haus aus eine eingeschränkte.
1) Bismarcks Voraussicht hatte sich erfüllt. Das Ergebnis der Reichstagswahlen
vom 30. Juli 1878 verrückte den Schwerpunkt des Reichstags nach rechts und verschaffte
dem Kanzler die Majorität, die ihm im folgenden Jahre den Zolltarif durchbringen half.
2) Hans Hermann Freiherr v. Berlepsch, geb. in Dresden, Studium der Rechte an
den Universitäten Göttingen und Berlin, 1873 Landrat des Kreises Kattowitz in Schlesien.
Am 8. Mai 1877 wurde derselbe zum Chef des Fürstlich schwarzburg-sondershausenschen
Ministeriums, Staatsminister und Wirklichen Geheimen Rat mit dem Prädikate „Excellenz“
ernannt. Am 1. Oktober 1877 wurde derselbe zum Bundesratsbevollmächtigten mit der
Ermächtigung ernannt, sich in Fällen der Abwesenheit von Berlin durch den Staatsrat
v. Wolffersdorff oder einen andern Bevollmächtigten zu substituiren. In solchem Falle
fungirte bis 1. Mai 1880 der Großh. hessische Bevollmächtigte, Staatsrat Dr. Neidhardt.
Am 30. April 1880 erfolgte die Bestellung des Großh. sächsischen Geh. Finanzrats
Dr. Heerwart zum gemeinsamen stellvertretenden Bevollmächtigten der thüringischen Staaten
mit Substitutionsbefugnis. Am 16. Juli 1880 erhielt beim Regierungswechsel Freiherr
v. Berlepsch auf sein Ansuchen seine Entlassung aus dem Fürstlichen Staatsdienste in
ehrenvoller Weise. 1881 Vizepräsident der Regierung in Coblenz, 1884 Regierungs-
präsident in Düsseldorf und Mitglied des Staatsrats, 1889 Oberpräsident der Rhein-
provinz, 31. Januar 1890 Handelsminister.