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küchen, Arbeiterausschüssen und wohlgesetzten Tafelreden ging man der sozialen
Frage heftig zu Leibe. Da diese Art von Sozialpolitik äußerst geringe Betriebs-
kosten erfordert und es überall Leute gibt, denen es eine Wohlthat ist, die
Hand eines Ministers schütteln zu dürfen, so verbreitete sich die neue Sozial-
politik an beiden Ufern des Rheins, besonders in den Bergischen Landen, mit
reißender Schnelligkeit. Wie das Zentrum überall in der Erbeutung billiger
Volkstümlichkeit allen andern Parteien voraus ist, so sind die ultramontanen
Industriellen von Anfang an die eifrigsten Anbeter der neuen Berlepschen Lehre
gewesen, und ist das Zentrum dieser jungen Liebe bis auf den jüngsten Tag
treu geblieben. Es kann allen diesen Personen der Vorwurf nicht erspart
bleiben, daß sie durch die Unterstützung dieser weinerlichen Sozialpolitik die
aller Orten herrschende Ansicht gefördert haben, als wenn vor der Aera Berlepsch
die Rheinprovinz der Schauplatz des grauenhaftesten Kapitalismus gewesen sei.
Herr v. Berlepsch aber bildete bald den erklärten Liebling der neuen Sozial-
politiker, welche sich fast der gesamten Literatur bemächtigt haben, und obwohl
unter einander durch ungeheure Klüfte geschieden, den gemeinsamen Gedanken
zum Ausdruck bringen und zum Leitmotiv haben, daß derjenige, welcher das
Unglück in der Welt beweint, höher steht als derjenige, welcher gegen das
Unglück arbeitet und gegen das Unglück Arbeit schafft. 1889 brach der große
Bergarbeiterstreik aus. Im Hauptherd der unruhigen Bergarbeiterbevölkerung
Gelsenkirchen kam es zu Gewaltthätigkeiten; Gendarmerie und Infanterie griffen
ein auf die berechtigte Anordnung des Oberpräsidenten der Provinz Westfalen
hin. Von den Höhen der rheinischen Grenzorte Oberhausen, Essen und Steele
konnte ein scharfes Auge überall die Helmspitzen blinken sehen. Außerdem ist
die Bergarbeiterbevölkerung im rheinischen Teile des Industriebezirks dünner
gesät und seßhafter, auch mangelt ihr das in Gelsenkirchen und nordwärts
vorherrschende polnische Element. Es gehört daher nicht in das Gebiet der
Wunder, wenn die Rheinprovinz ruhiger blieb. Und diese Thatsache genügte,
um zu beweisen, daß Herr v. Berlepsch es durch seine weisen sozialpolitischen
Maßregeln fertig gebracht habe, der Rheinprovinz den sozialen Frieden zu sichern“.
Worin diese sozialpolitischen Maßregeln bestanden, wußte allerdings niemand,
weder in Berlin noch in Düsseldorf.“
Daß sich die sozialpolitische Thätigkeit des Regierungspräsidenten in Düssel-
dorf in einem ausgesprochenen Gegensatze zu der Politik Bismarcks bewegt habe,
kann man nicht behaupten. Wäre diese Vermutung eine begründete, so würde
Bismarck niemals daran gedacht haben, dem Kaiser Berlepsch zu seinem Nach-
folger im Handelsministerium vorzuschlagen (4. Januar 1890), als er selbst
den Kreis seiner Thätigkeit durch Abgabe dieses Ressorts einzuschränken gewillt
war. Berlepsch war berufen, die sogenannten Kaiserlichen Arbeitererlasse vom
4. Februar 1890 auszuführen, welche Bismarck wohl hatte abschwächen, aber
nicht verhindern können. Da Bismarck zur Zeit der Ernennung Berlepschs zum
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. III. 27