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führung des § 108 der Gewerbeordnung Bestimmungen über die Errichtung
von Gewerbegerichten und über das Verfahren vor denselben. 1)
In den zustehenden Ausschüssen des Bundesrats wurden beide Vorlagen
im wesentlichen unverändert angenommen. Ein Antrag Sachsens, der Vorlage
einen Zusatz hinsichtlich der Beschränkung des Schankgewerbes zu geben, wurde
auf die Erklärung seitens des Reichskanzler-Amts abgelehnt, daß man beabsichtige,
darüber eine besondere Vorlage einzubringen. Es fehlte ferner nicht an
Stimmen, welche eine umfassendere Revision der Gewerbeordnung als wünschens-
wert bezeichneten.
Auch der Bundesrat erteilte in der Sitzung vom 18. Februar 1878 beiden
Entwürfen seine Genehmigung.
Bei der Abstimmung stimmte der Bevollmächtigte für Hamburg gegen
den Gesetzentwurf über die Gewerbegerichte in der beschlossenen Fassung, und
der mecklenburgische Bevollmächtigte gab zum Schluß der Anschauung seiner
Regierung dahin Ausdruck, daß es derselben wünschenswert gewesen wäre, die
vielfach empfundenen Uebelstände, welche nur durch eine Revision der Gewerbe-
ordnung geheilt werden könnten, vollständiger berücksichtigt zu sehen, als es
durch die beiden Gesetzentwürfe geschehe. Insbesondere glaubte derselbe betonen
zu sollen, daß die Gewerbeordnung nur eine ungenügende Fürsorge für die
technische Ausbildung der Gewerbetreibenden getroffen habe, und daß eine Heilung
der hieraus für die Tüchtigkeit der Leistungen im Bereiche des Handwerks-
betriebes hervorgehenden Uebelstände nur erwartet werden könne, wenn das
Prinzip der Gewerbefreiheit auf den Betrieb des Gewerbes und das Halten
von Arbeitsgehülfen beschränkt, das Recht zur Ausbildung von Lehrlingen aber
denen vorbehalten werde, welche einen bezüglichen Befähigungsnachweis abgelegt
haben und deshalb als Meister bezeichnet werden können. Würde die Not-
wendigkeit einer Reform der Gewerbeordnung in dem bezeichneten Sinne zur
Anerkennung gelangen, so dürften die noch erhalten gebliebenen Innungen als
geeignete Organe für die Ablegung derartiger Befähigungsnachweise und für
eine Beaufsichtigung der Lehrlinge benutzt werden. Hierfür aber erscheine es
als ein dringendes Erfordernis, daß die den Fortbestand der Innungen be-
drohende und durch das Prinzip der Gewerbefreiheit nicht motivirte Bestimmung
in § 84 der Gewerbeordnung, nach welcher für den Zweck des Eintritts in
eine Innung die Ablegung einer Prüfung von demjenigen ' nicht gefordert werden
könne, welcher das betreffende Gewerbe mindestens seit einem Jahre selbständig
ausübt, aufgehoben werde.
Der Gesetzentwurf wegen der Gewerbegerichte fand die Zustimmung des
Reichstags nicht. Günstig gestaltete sich dafür daselbst das Schicksal des anderen,
1) Das Nähere s. bei Bödiker: „Das Gewerberecht des Deutschen Reichs“, Berlin
1883, S. 36.