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ungleich wichtigeren Gesetzentwurfs. Der Bundesrat gab demselben in der vom
Reichstag beschlossenen Fassung seine Zustimmung und faßte gleichzeitig in betreff
der Fabrikaufsichtsbeamten (§ 139b) den Beschluß, daß 1. zum Zwecke einer
thunlichst gleichmäßigen Ausführung der Bestimmungen über die Aufsichts-
beamten der Fabriken einheitliche Normen seitens der Landesregierungen für die
den danach anzustellenden Personen zu erteilenden Instruktionen festgesetzt werden;
2. daß bei Feststellung dieser Normen davon auszugehen ist, daß die besonderen
Beamten nicht als Organe der Exekutivpolizei zu wirken haben, namentlich nicht mit
der Befugnis zum Erlasse polizeilicher eventuell im Wege administrativen Zwanges
durchzuführender Verfügungen auszustatten sind, vielmehr bei Wahrnehmung der
ihnen obliegenden Aufsicht ihre Aufgabe vornehmlich darin zu suchen haben,
durch eine wohlwollend kontrollirende, beratende und vermittelnde Thätigkeit
nicht nur den Arbeitern die Wohlthaten des Gesetzes zu sichern, sondern auch
die Arbeitgeber in der Erfüllung der Anforderungen, welche das Gesetz an die
Einrichtung und den Betrieb ihrer Anlagen stellt, taktvoll zu unterstützen, und
daß ihre Anträge auf polizeiliches Einschreiten sorgfältiger sachverständiger Prüfung
zu unterziehen sind.
Auf diese Weise erhielt der Titel VII der Gewerbeordnung (88 105
bis 139b) durch das Gesetz, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung,
vom 17. Juli 1878, als welches der Gesetzentwurf publizirt wurde, eine völlig
veränderte Gestalt. Außerdem erlitten die Straf= und Schlußbestimmungen
der Gewerbeordnung einige Abänderungen.
In Bezug auf die Resolution des Reichstags: den Reichskanzler zu ersuchen,
daß er über die Beschäftigung von Kindern und von jungen Leuten zwischen
14 und 16 Jahren in der sogenannten Hausindustrie sowie über die geeigneten
Mittel, den dabei vorkommenden Unzuträglichkeiten abzuhelfen, Erörterungen
anzustellen und dem Reichstage eine Vorlage darüber zugehen zu lassen —
wurde vom Bundesrat beschlossen, es sei dieser Resolution zurzeit keine Folge
zu geben.
Abänderung der §§ 30 und 33 der Gewerbeordnung. (Unter-
nehmer von Privat-Kranken-, Privat-Entbindungs= und Privat-Irrenanstalten;
Gast= und Schankwirtschaft.)
In der Plenarsitzung des Bundesrats vom 17. April 1878 wurde der
vom Reichskanzler überreichte, von Preußen beantragte Gesetzentwurf wegen Ab-
änderung der §§ 30 und 33 der Gewerbeordnung über die Errichtung von
Privat-Krankenanstalten bezw. den Betrieb von Gast-, Schankwirtschaften und
Kleinhandel mit Branntwein 1) nach den Ausschußanträgen angenommen. Auf
1) Inhalt desselben in der „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 79 v. 2. 4. 78 und der „Nat.-Ztg.“"
Nr. 155 v. 2. 4. 78; Notiz, daß der Reichskanzler dem Bundesrat eine Denkschrift über
die Wanderlager und Warenauktionen unterbreilet habe, s. „Post“ Nr. 113 v. 26. 4. 78;