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den Entwurf eines Gefängnisgesetzes, betreffend die zu regelnde Strafvollstreckung
und die Reform des Gefängniswesens, dem Reichstag baldthunlichst vorlegen
zu lassen, hatte den Erfolg, daß das Reichskanzler-Amt die Frage, ob und
wie weit eine Regelung des Vollzugs der Freiheitsstrafen im Wege der
Reichsgesetzgebung zu erfolgen habe, einer Prüfung unterzog und über einzelne
Fragen die gutachtlichen Aeußerungen der Bundesregierungen einholte. Das
im Reichskanzler-Amt vorliegende Material war jedoch so umfangreich und
wies so große Verschiedenheiten im Strafvollzuge der einzelnen Bundesstaaten
auf, daß zunächst noch durch eine besondere Kommission Vorarbeiten für die
Aufstellung eines Gesetzentwurfs vorgenommen werden mußten. Auch hielt
man es für nötig, vor der gesetzlichen Regelung des deutschen Gefängniswesens
zunächst das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz zur Ausführung zu bringen, zumal
in Anregung gekommen war, das Gefängniswesen nach Oberlandesgerichtsbezirken
zu organisiren. 1)
Verkehrmit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchs-
gegenständen. Ein hierauf bezüglicher, von Bismarck dem Bundesrat vor-
gelegter Entwurf unterstellte den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln,
mit Gegenständen, welche zur Haushaltung, häuslichen Einrichtung, Geschäfts-
einrichtung oder zur Kleidung bestimmt sind, oder mit Spielwaren der Beauf-
sichtigung durch die Organe der Gesundheitspolizei.2) In der Sitzung des
Bundesrats vom 20. März 1878 wurde der bezügliche Entwurf nach den
Ausschußanträgen angenommen.3) Nach beendeter Spezialberatung wurde
auf Antrag des bayerischen Bevollmächtigten das Einverständnis darüber
konstatirt, daß durch dieses Gesetz in den landesgesetzlich geordneten inneren
Organismus der Behörden nicht eingegriffen, sondern nur das Verhältnis der
Behörden zu den Gewerbetreibenden geregelt werden solle. Die Vorlage gelangte
im Reichstag zunächst nicht zur Annahme.
1) Bundesratsverhandlungen, betr. Auslieferungsverträge mit Brasilien, s. „Nordd.
Allg. Ztg.“ Nr. 291 v. 9. 12. 77, mit den Vereinigten Staaten Nr. 166 v. 18. 7. 77, mit
Schweden und Norwegen „Nat.-Ztg.“ Nr. 87 v. 21. 2. 78, mit Spanien Nr. 505 v.
29. 10. 77; betr. das Gerichtskostengesetz, die Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher
und für Zeugen „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 51 v. 28. 2. 78 und Nr. 58 v. 8. 3. 78.
2) Wortlaut und Inhalt s. „Nat.-Ztg.“ Nr. 91 v. 23. 2. 78 und „Nordd. Allg. Ztg.“
Nr. 45 v. 21. 2. 78. Ueber die Entstehung des Entwurfs bemerkte die „Nordd. Allg.
Ztg.“ Nr. 22. v. 26. 1. 78: „Bekanntlich ist auf persönliche Anregung des Reichskanzlers
die Frage über den Verkehr mit Lebensmitteln u. dgl. zuerst im Reichs-Gesundheitsamt
erörtert worden. Auf Grund der dort angestellten Untersuchungen haben im Reichs-Justizamt
legislatorische Erwägungen unter Zuziehung von Kommissaren der nächstbeteiligten preu-
Kßischen Ministerien stattgefunden. Ein im Reichs-Justizamt aufgestellter Gesetzentwurf dürfte
nunmehr in die weiteren Stadien der legislatorischen Beratung gelangen.“
3) Dieselben sind aufgeführt in der „Nat.-Ztg. Nr. 125 v. 15. 3. 78.