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zu allen Kriegsmaßregeln, daß er ihm weismacht, es handle sich nur um einen
defensiven Krieg. Bismarck kann deshalb nicht nach Belieben voran; er braucht
irgend einen Vorwand, um den Alten in Harnisch zu bringen. Zweitens,
Bismarck, der in seiner Art ein großer Patriot (für die Machtvermehrung seines
Staates) ist, hat leider zugleich die Natur eines Spielers, und es fehlt ihm
aller Sinn und jedes Verständnis für die moralischen Mächte im Volksleben.
Er hat darum eine Liebhaberei daran, immer wieder eine neue Karte auszu—
spielen, in dem Bewußtsein, daß er, wenn sie fehlt, geschickt genug sei, wieder
eine andere zu bringen. Er persönlich würde allerlei lieberale Konzessionen
machen, dazu bringt er aber den König nicht, und ohne sehr reelle Konzessionen
glaubt ihm natürlich kein Mensch im Volke, das selbst nachher voll Mißtrauen
bliebe. Die Fortschrittspartei verachtet Bismarck, seit sie sich politisch (zumal
für auswärtige Dinge) in der That absolut unfähig erwiesen hat; ihre respek-
table Seite, ihr lebhaftes Gefühl für Freiheit und Recht versteht er nicht. Er
rechnet darauf, nach Ausbruch des Krieges werde der preußische Patriotismus
alles andere in den Hintergrund drängen; ich hoffe, er wird recht behalten."
Und am 14. Mai 1866 sagte Jolly, damals erst Ministerialrat, in der ersten
badischen Kammer: „Ich bin mit dem, was Preußen in Schleswig-Holstein
anstrebt, nicht einverstanden und noch weniger mit der Form, in welcher es
seine Ziele verfolgt. Ich glaube, wir können, solange wir als Männer auf
unsere Ehre Wert legen, die Schritte, zu welchen sich die Bismarcksche Politik
in Schleswig-Holstein genötigt sah, nicht billigen; noch weniger können wir
uns freiwillig an einem Kampfe für diese Politik beteiligen. Aber auch die
Gegenseite verdient unsere Sympathie nicht. Ich kann das Wort nicht zurück-
halten, auch das Verfahren der Schleswig-Holsteiner ist schweren Vorwürfen
ausgesetzt. Ich fürchte, es wird die Zeit kommen, wo sich jenes Volk an die
Brust schlägt und klagend ausruft: Wir waren Thoren, daß wir in leidenschaft-
lichem Eigensinn ein kleines formelles Recht verteidigten und die große nationale
Aufgabe vergaßen.“ Danach sprach er sich über Bismarcks gesamte Politik aus.
„Ich beginne,“ sagte er, „mit dem Bekenntnis, daß ich mit vielen Tausenden in
Deutschland mich über diesen Mann lange Zeit sehr getäuscht habe. Als Herr
v. Bismarck seine Laufbahn in Preußen begann, war die Meinung sehr all-
gemein verbreitet, und ich bekenne mich, wie gesagt, als mitschuldig an dem
Irrtum, er sei lediglich nur ein Phantast, ein Mann, der in maßloser Selbst-
überhebung über alles das, was die Menschen gewöhnlich für recht ansehen oder
für gut halten, sich hinaussetze und in der Verletzung der öffentlichen Meinung
seine Befriedigung und gewissermaßen sein Ziel finde.“ Biemarck habe aber
in seinem Schicksal in einer Beziehung mit einem andern Manne eine merk-
würdige Aehnlichkeit, mit Napoleon, den man anfangs auch für einen lächerlichen
Phantasten gehalten. „Auch Herr v. Bismarck,“ fuhr er fort, „hat sich in
ganz anderer Weise entpuppt, als wir erwartet hatten. Es ist Zeit, sich von