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zustimmen werde. Diese Antwort war an die Gesandtschaft in Karlsruhe
gerichtet und hatte nachstehenden Inhalt: Die Wiederberufung des jetzigen
Reichstags würde eine harte Zumutung für die Majorität desselben vom
23. Mai involviren und doch zur Auflösung führen; die gegenteilige Annahme
der Großherzoglichen Regierung werde hier für unzutreffend gehalten, welches
gegenwärtig der gute Wille einzelner Mitglieder auch sein möchte. Würde die
Kaiserliche Initiative für die Auflösung durch ein Votum des Bundesrats in
die Minorität gesetzt, so werde gegenüber dem öffentlich kundgegebenen Miß-
trauen gegen die Regierung die letztere in die Alternative gebracht, zurückzutreten
oder Seiner Moajestät zu Maßregeln zu raten, die bisher vermieden seien, weil
sie die Spannung im Lande verschärfen würden. Eine weitere Korrespondenz
mit der Großherzoglichen Regierung hat erst nach der Abstimmung infolge der
Veröffentlichung der Karlsruher Zeitung“ und nur in Bezug auf diese statt-
gefunden."
Die zuletzt erwähnte Erklärung der „Karlsruher Zeitung“ lautete:
„Der Antrag auf Auflösung des Reichstags war, wie wir vernehmen, in
bundesrätlichen Kreisen nicht ohne Bedenken aufgenommen worden. Auch die
badische Regierung hätte gewünscht, daß zunächst der bisherige Reichstag ein-
berufen worden wäre, in der Annahme, daß es jetzt den verbündeten Regierungen
gelungen sein würde, sich mit einer großen Majorität des Parlaments über die
Maßnahmen zu verständigen, welche zur energischen Bekämpfung eines in der
erschreckendsten Weise wiederholt zu Tage getretenen, die Grundlagen der staat-
lichen und gesellschaftlichen Ordnung zerstörenden Uebels unabweislich geboten
sind. Nur wenn wider Erwarten auf diesem Wege nicht zum Ziele zu gelangen
wäre, dann würde man den Zeitpunkt für gekommen erachten, den jetzigen
Reichstag aufzulösen und an die Nation zu appelliren. Wenn gleichwohl auch
die badische Regierung schließlich dem Antrag auf sofortige Auflösung ihre Zu-
stimmung nicht versagt hat, so ist dies nach der von ihr stets innegehaltenen
freisinnigen und nationalen Richtung nicht in der Absicht, der Einführung einer
reaktionären Wendung in der deutschen Politik zu dienen, sondern nur in der
Erwägung geschehen, daß der deutschen Vormacht und dem leitenden Staats-
manne in einer hochgespannten Lage die dringend verlangte Anwendung einer
verfassungsmäßigen Maßnahme nicht versagt werden könne. Die der freisinnigen
Richtung feindlich gegenüberstehenden Parteien scheinen allerdings in der Auf-
lösung und bevorstehenden Neuwahl des Reichstags bereits das Anbrechen ihrer
Aera zu erblicken. Dazu giebt ihnen aber schon der ausgesprochene Zweck des
Bundesratsbeschlusses keine Berechtigung, und gerade darum durfte auch die
oberste Leitung des Reichs erwarten, daß dem von ihr eingebrachten Vorschlage
keine der verbündeten Regierungen sich widersetzen und damit ihren Absichten
mit Mißtrauen begegnen werde."“
Die „Nordd. Allg. Ztg.“ (Nr. 140 v. 15. 6. 78) begleitete den Abdruck